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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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auch gar nichts aus! Ich wollte nur einmal wissen, wie du die Sache siehst.«
    Mit dem Abstand von einem Monat zum Länderspiel gab er der Zeitschrift
11 Freunde
im November 2008 ein Interview. Es wurde Robert Enkes offenstes Interview, ohne dass es die Leser |339| merken konnten. Er sagte über seine Zeit nach Istanbul: »Das war keine Krise, wie sie jeder Torwart mal erlebt, wenn er in
     der Bundesliga fünf- oder sechsmal danebengreift. Es hatte etwas Existenzielles.« Aber eine Passage des Interviews erschien
     nie. Er ließ sie herausstreichen, weil sie ihm im Nachhinein zu ehrlich und bitter erschien. Was er davon halte, dass die
     Medien René Adler nach einem einzigen Länderspiel zur Nummer eins erklärten, lautete die Frage, und er antwortete: »Dieser
     Hype um René ist nicht erst in den letzten Wochen entstanden. Dieses Thema wurde schon lange geschürt. Ich frage mich manchmal,
     was da los ist. Das war doch ein ganz normales Spiel von ihm gegen Russland, nichts Sensationelles! Es ist nicht einfach für
     mich, damit umzugehen … Ich habe in der öffentlichen Wahrnehmung das Nachsehen gegenüber der Generation Adler und Neuer, das
     muss ich wohl so akzeptieren.«
    Seit seinem Comeback auf Teneriffa hatte er Druck souverän verarbeitet, Stress und Traurigkeit relativiert. Nach dem doppelten
     Schlag, dem Kahnbeinbruch und der öffentlichen Krönung von René Adler, verengte sich seine Wahrnehmung wieder. Wohin er auch
     schaute, er sah nur noch schwarz für sich.
    Die Herbsttage auf dem niedersächsischen Land begannen grau und endeten grau, »diese Dunkelheit macht mich fertig«, sagte
     er zu Teresa. Er fuhr täglich zum Rehabilitationstraining, er durfte das Handgelenk noch immer nicht bewegen und fragte sich
     ständig ängstlich, ob seine Hand jemals wieder für ein Torwartspiel auf höchstem Niveau taugen würde. Was, wenn es ihm so
     erging wie seinem Freund, dem Dachdecker? Wenn er die Fragen erst einmal zuließ, kamen immer mehr. Hatte er überhaupt noch
     eine Chance auf die Nummer eins im Nationaltrikot, stand er nicht ganz alleine da gegen René Adler und die Medien, gegen das
     ganze Land? Von diesen Fragen ernährten sich die Ängste und wuchsen bis ins Irrationale. Ende November saß er wie jeden Tag
     zur Behandlung im Zimmer von Hannovers Physiotherapeuten Markus Witkop. Er müsse ihm etwas anvertrauen, sagte Robert Enke.
     Dann begann er zu weinen. Er habe schon einmal unter Depressionen gelitten, und er fürchte, sie kämen gerade wieder. Fünf
     Jahre lang hatte er keine nennenswerten |340| psychischen Probleme gehabt, selbst nach Laras Tod nicht.
    Für Witkop war der Anblick des weinenden Mannschaftskapitäns nur schwer zu verarbeiten. Vor ihm saß Robert Enke, der in diesem
     Verein seit vier Jahren voranging, und wirkte auf einmal verletzlich wie ein Kind. Genauso schwer wog die Last auf dem Physiotherapeuten,
     dass er nun eingeweiht war. Es ist die schwierigste Arbeit für die Betreuer einer Profimannschaft: all die Geheimnisse, die
     ihnen die Profis anvertrauen, bei sich behalten zu müssen. »So viele Sachen arbeiten in dir und fressen dich auf, weil du
     sie auf keinen Fall rauslassen darfst«, sagt Tommy Westphal.
     
    Ein Mann in Deutschland teilte Robert Enkes Meinung, er komme im Vergleich mit René Adler schlecht weg: René selbst.
    »Ich konnte Robbi verstehen, dass ihn die Berichterstattung nach dem Russland-Spiel störte. Es war ein gutes Spiel von mir,
     aber kein Kracher. Was die Medien daraus machten, war schon extrem. Mir war das unangenehm.«
    In den Wochen danach überlegte René Adler oft, ob er Robert anrufen oder eine SMS schreiben sollte. Er hatte Teresas Telefonnummer
     seit der Europameisterschaft gespeichert. In seinem Kopf formulierte René die Worte schon, die er schreiben wollte. »Aber
     ich habe mich – ich will nicht sagen: schlecht gefühlt«, sagt er. »Ich hatte einfach Angst, heuchlerisch rüberzukommen. Denn
     ich hatte, ehrlich gesagt, schon das Gefühl, ihm etwas weggenommen zu haben, sein Leid ausgenutzt zu haben. Der Gedanke war
     da: Es wäre sein Spiel gewesen.«
     
    Robert Enke betrachtete die Depressionen wie einen gegnerischen Stürmer, der ihn angriff. Den er noch aufhalten konnte, wenn
     er richtig handelte. Noch war die allumfassende Dunkelheit nicht da, er stand morgens problemlos auf, es mangelte ihm nicht
     an Antrieb, nur die Niedergeschlagenheit, der erste Bote der Krankheit, hatte ihn ergriffen. Er glaubte, die

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