Robert Enke
an!«
»Du
musst
dir Moreira anschauen.«
Robert Enkes Augen lachten, wenn er von Moreira redete, dem Torwart, der von ihm lernte, der ihm eine nie geahnte Unbeschwertheit
beim Training schenkte; der sein Komplize und nicht Rivale war.
Im Palast Fronteira konnte man sich wie der Marquis fühlen, auch wenn man nur im Gästehaus wohnte. Es gab mehr Bäder als in
ihrer Mönchengladbacher Wohnung Zimmer; sechs. Die Gartenmauern waren mit blauweißen
azulejos
gekachelt, die Motive kündeten von Ritterschlachten und trompetenden Affen.
Anrufe aus Deutschland wurden zu Teresas und Roberts Triumphen.
»Oh, Mann, hier regnet es schon wieder.«
|102| »Ach, so? Wir sitzen im T-Shirt im Garten.«
Sie erkundeten die Stadt, die Festung San Jorge und das Museum Gulbenkian, das
Eleven
und das
Blues Café
, sie machten erste Bekanntschaften unter den Profis bei Benfica. Manchmal saßen sie im Garten und betrachteten das Licht
Lissabons, golden am Nachmittag, milchig zur Dämmerung.
Teresas Gewissensbisse, dass sie ihr Studium aufgegeben hatte, verblichen. »Die Wahrheit ist, dass ich es genoss, nicht arbeiten
oder lernen zu müssen.« Wenn Robert beim Training war, lag sie im Garten und las Kriminalromane. Absätze mit reinen Beschreibungen
von Orten oder gar dem Licht übersprang sie genervt. Es musste schon etwas passieren in Büchern.
Eines Vormittags klebte sie Fotos vom Sommerurlaub in Südholland in ihr Album, Robert mit Schlapphut in den Dünen, lächelnd.
»Eine schwarze Zeit stand uns bevor«, schrieb sie darunter, es schrieb sich so leicht. Es schien so vergangen.
»Ich glaube, Robert bekommt nie mehr eine Angstattacke«, sagte sie seinem Vater, als er sie in Lissabon besuchte.
»Da wäre ich mir leider nicht so sicher«, sagte der Vater.
Teresa schauderte kurz und schüttelte den Gedanken locker ab.
Robert Enke flog weiter. Als Benfica Ende Oktober den FC Gil Vicente 2:0 besiegte, war die Elf nach sieben Spieltagen weiter
ungeschlagen. Robert Enke hatte seit dem 1:1 gegen Rio Ave zum Auftakt kein einziges Tor mehr hingenommen. »Enke ist der Teufelsaustreiber«,
dichtete der
Record
.
Die Besuche aus Deutschland nahmen zu. Teresas Mutter war die Nächste. Das Herbstlicht färbte den Garten heller, milder. Die
Anrufer aus Deutschland erzählten, sie hätten gestern Abend zum ersten Mal die Heizung eingeschaltet, und sie schwammen im
Palastgarten in ihrem Swimmingpool.
»Ist das herrlich hier«, sagte Teresas Mutter.
»Und ich kenne jemanden, der wollte gar nicht nach Lissabon«, rief Robert aus dem Schwimmbecken und wandte sich lächelnd Teresa
zu: »Warum noch mal wolltest du eigentlich nicht nach Lissabon?«
|103| SECHS
Glück
Zu einer Stunde in der Nacht, wenn das Klingeln des Telefons den Anruf einer verliebten Frau oder nichts Gutes verheißt, schreckte
Marco Villa auf. Es war der 25. November 1999, er sah auf die Uhr, kurz vor Mitternacht. Robert Enkes Name blinkte auf dem
Display seines Handys auf.
Nach dem Abstieg der Borussia hatte es Marco nach Österreich verschlagen. Das Wort Provinz bekam einen neuen Klang für ihn.
Er spielte bei der Spielvereinigung Ried in der Ersten Liga. Der Ort, zwischen Salzburg und Linz in einer Bodensenke des Alpenvorlands
versteckt, hatte 11 000 Einwohner, und die Spielvereinigung 1998 den österreichischen Pokal gewonnen. Das Stadion in Ried heißt
Keine Sorgen Arena
. Marco spürte die Rieder Sorglosigkeit schon, er hatte in fünf Monaten bereits acht Tore für den Klub markiert. Er nahm den
Anruf entgegen.
»Robbi?«
»Weißt du, was gerade passiert ist?«
Marco Villa spürte, dass er es gar nicht wissen wollte.
»Ich habe wieder sieben Tore reingekriegt.«
Alte Wunden öffneten sich, 1:7 in Wolfsburg, 2:8 gegen Leverkusen, »ach du Scheiße, Robbi«.
Robert Enke lachte nur. Als würde ihn das 0:7 mit Benfica im UEFA-Pokal gegen Celta Vigo nicht niederschmettern, sondern einfach
nur unglaublich erscheinen.
Benfica war mit der Idee in das Spiel gegangen, aggressiv und geballt zu verteidigen, es sollte nach der Vorstellung des Trainers
ein klassisches Europapokalhinspiel werden, das alles, die Entscheidung wie die Dramatik, auf das Rückspiel vertagte. Dann
erzielte Celta schon nach einer Viertelstunde das 1:0. |104| Etwas brach. Benfica, die glorreiche Seite portugiesischer Vergangenheit, das so famos in die Saison gestartete neue Versprechen
von Jupp Heynckes, verirrte sich in den eigenen widersprüchlichen
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