Robert Enke
nach Jahren in Lissabon erwarteten, dass man sie auf Englisch oder Spanisch verstand,
gab Robert Enke nach vier Monaten seine erste Pressekonferenz auf Portugiesisch. »Natürlich nicht nach drei Monaten, wie du
dir vorgenommen hast«, zog ihn Moreira auf. Nachrichten für das ganze Land produzierte allerdings Roberts zweite Pressekonferenz.
Fodes! ,
stand am nächsten Tag auf den Titeln der Zeitungen. Die Fernsehnachrichten wiederholten die Szene wieder und wieder, Robert
Enke auf dem Podest hinter den Mikrofonen, wie ihm ein bestimmtes Wort partout nicht einfiel, wie er die Stirn in die Hand
legte und zischte: Fodes!
Die Leute lachten und freuten sich königlich.
|109| Fodes heißt Scheiße, und für die Portugiesen war klar: Wer fluchen konnte wie sie, war einer von ihnen.
Benfica verarbeitete das 0:7 von Vigo nicht. Die Erinnerung hielt den Klub gefangen, das Publikum reagierte auf jeden neuen
Fehler der Spieler gereizter, die Fußballer machten mehr Fehler, der Präsident, noch immer beleidigt, ließ Spieler, die zu
viele Fehler machten, Wochen auf das Gehalt warten, die um ihr Einkommen besorgten Fußballer spielten daraufhin nicht besser.
Die Dynamik, mal Verbündeter, mal Feind des Fußballers, zog Benfica nach unten. Eine Elf, die monatelang geflogen war, gewann
zwischen Dezember 1999 und Januar 2000 von fünf Ligaspielen nur noch eines, ein wackliges 3:2 gegen União Leiria. Benfica
fiel auf den dritten Tabellenplatz hinter Porto und Sporting zurück.
Der Trainer geriet unter Beobachtung. Vor seinem Haus in Mönchengladbach lagerten am 3. Januar portugiesische Journalisten
und versuchten, mit Ferngläsern in die Fenster zu schauen. Sie wollten überprüfen, ob Jupp Heynckes wirklich im Bett lag.
Zu Silvester war Heynckes bei Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß eingeladen gewesen, als ihn plötzlich hohes Fieber befiel.
Silvester verbrachte er im Hotelbett und reiste statt zum Training nach Lissabon nach Hause, um sich auszukurieren. Am 4.
Januar stand Benfica das fieberhaft erwartete Derby gegen Sporting bevor. Die portugiesischen Medien verdächtigten den Trainer,
er habe seine Grippe erfunden, um noch ein paar Urlaubstage in der Heimat verbringen zu können. Wer Heynckes Arbeitsethos
kennt, kann sich prächtig amüsieren über die Idee, dieser Trainer würde die Arbeit schwänzen. Aber bei Benfica war es nicht
mehr so lustig nach dieser Episode.
Jupp Heynckes flog fiebrig zurück nach Lissabon, ging aber auf Rat seines Arztes nicht ins Stadion, sondern sah sich das Derby
im Fernsehen an, es endete 0:0 mit Robert Enke als Benficas bestem Mann. Ein Trainer, wie krank auch immer, müsse bei seiner
Mannschaft sein, empörten sich die Sportreporter. |110| »Der portugiesische Journalismus ist noch schlechter als der portugiesische Fußball«, erklärte ihnen Heynckes ungefragt, kaum
dass er wieder gesund war. Benficas Präsident geriet in Wallung. Öffentlich stellte er sich vor den Trainer – und überwies
ihm fortan das Gehalt nicht mehr.
Mit Bossio, dem nach einem Testspiel in Ungnade gefallenen Torwart, trieb Benfica das Spiel schon seit Monaten. Man brauchte
ihn nicht mehr, also ließ man ihn auf sein Gehalt warten. Die Ablöse und den Papierkram für seine Spielberechtigung erledigte
Benfica erst sechs Monate nach Saisonbeginn.
Gemessen daran, wie man ihm mitspielte, verhielt sich Bossio bewundernswert gelassen. Er trainierte klaglos als dritter Torwart
mit Enke und Moreira. Das Publikum hatte Bossio schon vergessen im Schatten von Robert Enke, der »auf dem Weg war, international
ein ganz großer Torwart zu werden«, wie Walter Junghans beobachtete. Nummer eins und dritter Torwart, das klang nach einem
endgültigen, eindeutigen Qualitätsunterschied, dabei hätten ohne diesen einen schlechten Tag von Bossio in der Saisonvorbereitung
Enkes und Bossios Rollen bei Benfica ganz leicht vertauscht sein können. Zum Beispiel gab es im Training Details, die der
Publikumsheld Enke vom Ausgestoßenen Bossio lernte.
Er bemerkte, wie die anderen Torhüter bei Benfica, ob Moreira, Bossio oder Nuno Santos, sich deutlich weiter vorne im Strafraum
positionierten als er oder Köpke, Kahn, Kamps in Deutschland. So fingen sie mehr Steilpässe und Flanken ab. »Lieber ein Torwart,
der nur bei den sechs einfachen Flanken rausgeht und sie alle fängt, als ein Torwart, der bei zehn Flanken herausrennt und
bei den zwei schwierigsten vorbeisegelt«,
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