Robert Enke
antwortete. Es war Zeit für die nächste Serie an der Beinpresse. Er klemmte die
Füße in die Maschine, die Knie angewinkelt, den Mund zusammengedrückt in Erwartung der Anstrengung. Und die Gewichte in der
Maschine sausten nach oben, als ob er jede Anstrengung bewältigen könne.
»Ich mochte Robert von Anfang an. Ich hatte ihn ja im Frühling zweimal in meinem Haus am Spielberg in Mönchengladbach getroffen,
um ihn für Benfica zu gewinnen. Er war unheimlich aufgeschlossen, sympathisch, auch sehr selbstbewusst, und dieser Eindruck
blieb mir, obwohl ich zunächst richtig sauer geworden war, als er plötzlich nicht mehr nach Lissabon wollte. Aber ab dem Moment,
als wir uns bei Benfica im Kraftraum aussprachen, war die Sache mit seiner Panikattacke für mich vergessen«, sagt Heynckes.
»Ich habe erst vier Jahre später wieder daran gedacht.«
Robert Enke fiel es nicht so leicht zu vergessen. Sobald er das Trainingsgelände verließ, kehrte das Gefühl, fremd zu sein,
langsam, lähmend zurück. Er wusste, er hatte keinen Grund, sich zu fürchten. Aber er konnte die Angst deswegen noch lange
nicht abschütteln. Das Hotel am Flughafen wurde seine Festung. Er verschanzte sich darin.
»Robbi, Kopf gerade!«, rief Teresa, er schreckte vor dem Fernseher auf, richtete den Kopf auf, und eine Viertelstunde später
wiederholte sich das Spiel.
Eines Nachmittags rief Tina an, ihre gemeinsame Freundin aus Jena. Robert war gerade beim Training.
»Und, was machst du?«
»Was soll ich machen, ich würde auch mal gerne raus, in die Altstadt oder so, aber Robbi geht es nicht gut, er sitzt immer
nur betrübt auf dem Zimmer.«
»Dann geh doch du mal alleine raus, und wenn du dich nur mit einem Buch ins Café setzt. Du kannst nicht immer nur alles Robbi
recht machen.«
|95| Aber Teresa glaubte nicht, dass es ihr irgendwie gut gehen konnte, solange es ihm schlecht ging.
Der Fußball gestattete ihm eine kurze Flucht vor der Furcht. Er durfte mitten aus Benficas Trainingslager im Salzburger Land
abreisen, um mit der deutschen Nationalmannschaft zum Konföderationenpokal nach Mexiko zu fliegen. Zum ersten Mal war er in
die A-Nationalelf eingeladen worden. Die Umstände waren wenig feierlich. Das Turnier in Mexiko war von sportlich zweifelhaftem
Wert, der Termin Ende Juli ein kruder Scherz, unmittelbar vor dem Start der Vereinssaison, weshalb die etablierten Nationaltorhüter
Oliver Kahn und Hans Jörg Butt die Mexikoexpedition abgesagt hatten. Robert Enke war als Ersatztorwart nachgerutscht. Niemand
im deutschen Fußball wusste von seinem inneren Kampf. Viele verstanden die Nominierung als logische Folge: Diesem Torhüter
würde die Zukunft gehören.
Ohne in einem einzigen Spiel eingesetzt zu werden, verbrachte er 14 flimmernd heiße Tage in Mexiko, nachts konnte er nicht
schlafen vor Hitze und Jetlag, tagsüber sah er zu, wie eine in engen Grenzen motivierte deutsche Elf Brasilien 0:4 und den
USA 0:2 unterlag. Dafür hatte er seine Position bei Benfica nicht gerade verbessert, weil er zwei Wochen der Saisonvorbereitung
verpasste. Doch so sah er es nicht. Zwei Wochen lang hatte er im fernen Mexiko wieder zu Hause sein dürfen; in einer deutschen
Fußballelf.
Bei seiner Rückkehr nach Lissabon konnte er der Wirklichkeit nicht mehr ausweichen. Er lebte jetzt hier. Er ging mit Teresa
auf Haussuche. Sogar einen Palast zeigte ihnen der Immobilienmakler. Am Hang des Pinienparks Monsanto, abgetrennt vom Lärm
der Stadt, lag der Palácio dos Marqueses de la Fronteira. Das ehemalige Gästehaus hinter dem Palast sei zu vermieten. Aha,
sagte Robert Enke und grinste bei der Vorstellung, hier zu wohnen. Nun aber weiter, sagte der Makler, er werde ihnen noch
etliche spektakuläre Häuser zeigen, da würden sie Tage brauchen, um sich zu entscheiden.
Am 10. August 1999 bestritt Benfica ein Testspiel gegen Bayern München im Stadion des Lichts. Portugiesen nennen das |96| Stadion oft nur
A Luz
. Das Licht. Die neue Elf, das Benfica von Jupp Heynckes, präsentierte sich, und 60 000 füllten die Arena unter dem Licht, denn nichts ist am Fußball betörender als das immer wiederkehrende Versprechen vor
einer neuen Saison, jetzt werde alles anders, besser. Zum ersten Mal würde der neue Trainer seine Wunschelf zeigen, mit Nuno
Gomes im Sturm, Karel Poborský auf dem Flügel und João Pinto, dessen Fuß einen Ball streicheln konnte, als Maestro. Im Tor
stand Carlos Bossio. »Er war
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