Robert Enke
erklärte Robert Enke Moreira. Daran glaubte er wirklich: Der beste Torwart war nicht
der, der die schwierigsten Situationen meisterte, sondern der, der am wenigsten Fehler machte. Im Stillen aber orientierte
er sich an Moreira und Bossio. Wenn der Gegner mit dem Ball in Benficas Spielfeldhälfte vorstieß, blieb Robert Enke sieben
Meter vor dem Tor stehen, während er sich in Mönchengladbach immer an die Fünfmeterlinie zurückgezogen hatte.
|111| Mehr als ein Schritt von zwei Metern nach vorne war dies für ihn eine Expedition ins Unbekannte. Das Wichtigste für einen
Torwart ist sein Gefühl von Sicherheit, und Robert Enke stand nun, wo er noch nie gestanden hatte. Er gab die in Jahren aufgebaute
Sicherheit auf, genau zu wissen, wie viele Schritte es zurück zum Tor waren, in welchem Winkel zum Pfosten er stand. Instinktiv
zog er sich immer wieder auf die alte, konservative Position näher am Tor zurück. Jedes Mal trieb er sich an, wieder vorzurücken.
»Robert brauchtest du nicht antreiben, er war selbstkritisch und wollte immer von sich aus lernen«, sagt Jupp Heynckes. »Ich
habe in meiner Laufbahn unheimlich viele Spieler trainiert, mit dem einen oder anderen verstehst du dich als Trainer in jeder
Mannschaft gut. Aber wenn ich nach dreißig Jahren im Beruf nach dem idealen Profi gefragt werde, sage ich immer: Fernando
Redondo und Robert Enke. Die beiden waren nicht nur besondere Fußballer, sondern besondere Menschen, respektvoll, sozial,
intelligent.«
Jedes Mal, wenn die Mannschaft nach dem Training frisch geduscht und nach Fußballertradition ungefönt, mit nassen Haaren das
Stadion verließ, ging der Trainer in den Kraftraum. Dort waren wie gehabt als Einzige Robert Enke und Walter Junghans an den
Maschinen, nur seinen kleinen Bruder Moreira schleppte Robert mittlerweile auch mit. »Das waren die schönsten Momente«, sagt
Heynckes. Die Anspannung der Arbeit fiel von ihm ab. Nach der Anstrengung, sich die ganze Zeit in einer fremden Sprache verständlich
zu machen, war es einfach wunderbar, mal wieder Deutsch reden zu können. Der Trainer wartete, bis sein Assistent und der Torwart
eine Pause an den Maschinen einlegten, dann redeten sie, »über Fußball, Politik, Alltägliches«, sagt Heynckes. Es ging wieder
an die Hanteln und danach weiter mit den Themen Kino, Essen, Hunde. »Diese Gespräche alleine im Kraftraum, drei Deutsche in
der Fremde«, sagt Heynckes, »das war wie eine Andacht.«
In ihrem Eispalast träumten Teresa und Robert vom Sommer. Im nächsten Herbst würden sie aus dem Palácio Fronteira ausziehen |112| müssen, sagten sie sich, noch einen Winter hier ertrugen sie nicht. Doch jetzt hieß es durchhalten. Damit sie noch einen Sommer
im Palast genießen konnten.
Das Hochzeitsfoto von Robert und Teresa im Jahre 2000. [12]
Am 18. Februar 2000 packte Teresa Roberts Geschenk zu ihrem 24. Geburtstag aus. Sie fühlte den Stoff durch das Geschenkpapier.
»Aha, ein Trikot«, sagte sie und gab sich Mühe, eher erfreut als verwirrt zu klingen.
»Jetzt zieh es doch erst mal an«, sagte er, wie so oft außerhalb des Fußballplatzes rührend hektisch, wenn die Dinge nicht
wie geplant liefen.
Teresa zog das schwarzgelbe Torwarttrikot von Benfica an.
»Okay?«, fragte sie.
Das Trikot reichte ihr bis an die Knie.
|113| »Ja, stell dich doch erst mal mit dem Rücken vor einen Spiegel, bevor du meckerst.«
Das bedeutete einen Gang ins Bad, sprich eine Polarexpedition.
Im Spiegel schaute Teresa auf ihren Rücken. TERESA ENKE war auf die Trikotschultern gedruckt. Darunter, wo normalerweise die
1 beim Torwart prangt, hatte Robert Enke mit Tapeverband ein weißes Fragezeichen geklebt.
Teresa Reim brauchte keine Sekunde, um zu verstehen, was das Geschenk bedeutete.
Die Hochzeit feierten sie in den Sommerferien auf einer Burg bei Mönchengladbach. Ihre Freundin Christiane fotografierte kopfschüttelnd
Teresas türkisfarbene Brautschuhe.
Teresa fand einen neuen Kameraden. Einen ihrer zwei Hunde hatte sie schweren Herzens in Deutschland bei den Eltern gelassen.
Nun holte sie, wann immer sie konnte, den Hund der Palasthaushälterin zu sich, damit er von der Kette loskam.
»Moreira«, sagte Robert Enke im Hotelzimmer, »wie kann es sein, dass die Tiere hier so schlecht behandelt werden, überall
sehe ich Hunde streunen oder an der Kette.«
»Ich habe dir doch schon oft gesagt: Du bist hier in Portugal.«
»Man muss den Hunden helfen.« Aber auf
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