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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Mannschaft werden. Er ignorierte das Essen, seine Augen
     starr nach vorne, auf die Wand gerichtet, suchte er sich seinen Platz neben dem Schweden Patrick Andersson, mit dem er schon
     bei Borussia Mönchengladbach zusammengespielt hatte, neben dem er sich ein wenig zu Hause fühlte, wenn sie deutsch redeten.
    »Hast du gesehen, was der de Boer über dich gesagt hat?«, zischte Andersson, der ein sehr schwedisches Verständnis davon hatte,
     wie man sich in einer Gruppe sozial verhielt; und der als Innenverteidiger mit de Boer um einen Platz in der Elf konkurrierte.
     »Das kannst du dir nicht gefallen lassen, da musst du zurückschießen!«
    Robert Enke, zu ohnmächtig, um Wut zu spüren, ging aus Pflichtgefühl gegenüber Patrick Andersson zu de Boer. Leise fragte
     er ihn, was das solle.
    Die hätten ihn falsch zitiert, er wisse doch, Journalisten, antwortete de Boer.
    Robert Enke sagte nichts mehr.
    Er fand, es gehöre sich nicht, Mitspieler bloßzustellen, also würde er sich jetzt auch nicht darauf einlassen. Und vor allem
     wollte er von de Boer nichts mehr wissen. Er wollte nur noch alleine sein.
    Luis Enrique, der wahre Kapitän, der wie einige der etablierten Spieler zur Schonung nicht nach Novelda mitgereist war, knöpfte
     sich de Boer vor. Trainer van Gaal brüllte de Boer an, so verhalte sich kein Profi, und schon gar nicht einer mit seiner Erfahrung.
    Niemand kümmerte sich um Robert Enke. Wozu, er war doch ein Profi. Van Gaal sprach nicht mit ihm, »er hat im ganzen Jahr nie
     mit mir geredet«. Niemand verteidigte ihn gegen die Schlagzeilen. »Wo war eigentlich Enke?«, »Der deutsche Torhüter hat bewiesen,
     dass er zu grün für Barça ist«.
    |168| »Man hat ihn alleine vor den Löwen gelassen«, sagt Victor Valdés.
    Robert Enke und Frank de Boer mussten zur Pressekonferenz. Enke sagte, »ich habe mein Leben lang noch nie einen anderen Spieler
     kritisiert und werde es jetzt auch nicht tun. Die ganze Mannschaft hat verloren.« De Boer sagte, er habe niemanden kritisieren,
     sondern nur die Tore erklären wollen. »Enke hätte bei den Toren mehr machen können, ich auch. Beim dritten Tor habe ich versagt,
     aber ich finde, dass ich gut gespielt habe.«
     
    »Eines wollte ich dich noch fragen«, sagt Victor Valdés acht Jahre später in der Sportstadt. »Hat de Boer sich eigentlich
     jemals bei Robert entschuldigt?«
    Niemals.
    Es kommt nur ein merkwürdiger Laut aus Victors Mund, ist es ein Gurgeln, ist es ein Lachen? Ist es Erstaunen, ist es Verachtung?
     
    Robert Enke las nicht die Zeitungen vom 12. September 2002. Er erfuhr auch so, was darin stand. Ein Profifußballer spürt die
     Schwingungen der öffentlichen Meinung. Irgendein Bekannter am Telefon, irgendein Fan am Trainingsplatz erzählt ihm stets,
     hast du gesehen, was sie über dich geschrieben haben. In einer Welt, wo Schicksale auf reflexartige Schlagzeilen reduziert
     werden, war er schlagartig der gescheiterte Torwart.
    Er fühlte sich taub und gleichzeitig innerlich aufgerissen.
    Teresa schrieb wieder einmal in ihren Taschenkalender, es war noch immer der portugiesische, es war noch immer dasselbe Jahr,
     in dem sie im Frühling ihre Notizen mit so vielen euphorischen Ausrufezeichen versehen hatte.
    12.09.: Das Spiel hat hohe Wellen geschlagen. Die Presse haut voll drauf, durch Angriffe von Frank de Arsch angestachelt.
     Sind beide mit den Nerven am Ende.
    13.09.: Den Tag irgendwie herumgebracht. Noch immer völlig fertig.
     
    |169| Toni Madrigal las noch einige Tage in der Zeitung, was seine drei Tore in Barcelona ausgelöst hatten. Aber er hatte sich noch
     nie die Sportpresse gekauft, und er verlor auch bald wieder das Interesse an den täglichen Aufgeregtheiten, die die Elite
     des Profifußballs produziert. Für die Leute wird er immer der bleiben, der Barça aus dem Pokal schoss. Er hat sich das Spiel
     nie mehr auf Video angeschaut. »Was soll ich mir ein Fußballspiel anschauen, von dem ich schon weiß, wie es ausgeht?«
    Er ist nun 34, die Haare sind durchgehend silbergrau. Dafür, dass er im Profifußball arbeitet, dem Beruf der frühen Falten,
     hat er ein erstaunlich glattes, jugendliches Gesicht. Er trägt die Turnschuhe mit offenen Schnürsenkeln, das khakifarbene
     T-Shirt hängt lässig aus der Jeans. Für einen Stürmer wirkt er schmächtig. Er sitzt im Straßencafé in Elche, wo er nun lebt,
     Palmen stehen auf der Plaza, er bestellt den Kaffee extrastark. Seit acht an diesem Morgen hat er zu Hause gelernt, er

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