Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
Vom Netzwerk:
Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich dichtgemacht
     habe.«
    Jörg und Teresa hatten keine psychologische Ausbildung. Sie hatten nur ihren gesunden Menschenverstand.
    Traurige Menschen musste man beschäftigen und aufmuntern, glaubten sie.
    Vom Schlafzimmer der Enkes sah man den Golfplatz von Sant Cugat. »Komm, wir gehen mal Golfen«, sagte Jörg.
    »Golfen?« Robert sah ihn an, als sei er gerade zu einer Mondfahrt eingeladen worden.
    Sie waren sich nicht sicher, ob sie immer das richtige Eisen für den entsprechenden Schlag aus der geliehenen Golftasche zogen,
     den skeptischen Blicken der anderen Golfer nach zu schließen, waren sie gerade dabei, sich zu Trotteln zu machen. Umso besser.
     Jörg musste sich nicht anstrengen, lustig zu sein, die Komik entstand von alleine.
    |173| Sie begleiteten Teresa zum Reitstall. Dickens sprang und lief wieder rund, seit Teresa ihn pflegte. Im Fell und, so kam es
     ihr vor, auch in den Augen war der Glanz zurückgekehrt. Für eine halbe Stunde wurde das Pferd ein letztes Mal in seine alte,
     schreckliche Zeit versetzt, mit einer schwankenden, hoppelnden Fracht auf dem Rücken. Robert Enke saß auf dem Pferd wie ein
     Roboter. Als er abstieg, lachte er unverstellt. Wenn die Leute, die ihn kannten, gefragt werden, wie sie ihn im Gedächtnis
     bewahren, sagen die meisten wie der Torwarttrainer der Nationalelf Andreas Köpke, ohne zu überlegen: »Wie er lachte.« Minuten
     später hatten seine Augen wieder die matte Starrheit eines Abwesenden.
    »Du musst zum Psychologen gehen«, sagte Jörg zum Abschied, ehe er nach Köln zurückflog.
    Er machte einen deutschen Facharzt in Barcelona ausfindig, Doktor Heinrich Geldschläger, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut.
     Robert war skeptisch. Sein Vater war doch Psychotherapeut.
    Du gehst, sagte Jörg.
    Die Praxis lag im Eixample, wo die modernistischen Häuser von Barcelonas alter Schönheit künden und die Automassen die Stadt
     in eine moderne Hölle verwandeln. Doktor Geldschläger sagte zu Robert, er habe schon an ihn gedacht. Nachdem er das mit Novelda
     mitbekommen habe.
    Mit seinem festen Blick, Schnauzer und zurückgekämmten schwarzen Haar erinnerte Geldschläger an den zuletzt etwas unzuverlässigen
     englischen Nationaltorwart David Seaman.
    Der Arzt diagnostizierte eine Verstimmung, eine tiefgehende Niedergeschlagenheit, wie sie viele Menschen etwa nach einem Trauerfall,
     nach einer Entlassung oder als Mobbingopfer erlebten. Sie mussten versuchen, die Angstsituationen aufzuarbeiten, die Robert
     im Fußball durchgemacht hatte. Außerdem könnte ihm vielleicht die Muskelrelaxation nach Jacobson helfen, sagte Geldschläger.
     Denn die Verspannung der Muskeln gehe oft mit psychischer Anspannung einher.
    Robert Enke sah sich die Übungen an, die Faust bei geschlossenen Augen fünf Sekunden ballen, dann die Hand schnell öffnen |174| und auf die Veränderung der Spannung achten. Er war skeptisch und ging trotzdem über Wochen regelmäßig zu Doktor Geldschläger.
     Er traute sich nicht, es sein zu lassen. Er spürte, irgendetwas musste er tun.
     
    Als sein Vater nach Barcelona kam, nahm er ihn am ersten Morgen mit zum Training. Der FC Barcelona trainierte auf einem Fußballplatz,
     über den sich die meisten Bezirksligisten beschwert hätten, deutlich schmaler und kürzer als die üblichen Maße. Eckbälle konnten
     sie dort nicht üben. Der Platz, La Masía, war Barças Markenzeichen. Diese Elf hatte es doch nicht nötig, ausgiebig Eckbälle
     zu trainieren, das Stilmittel der biederen Teams.
    Nach dem Aufwärmen mussten die Sportreporter das Gelände verlassen, damit die Spieler ungestört arbeiten konnten. »Ich durfte
     bleiben«, sagt der Vater stolz.
    Fasziniert beobachtete er den unendlichen Reigen der Pässe. Wie alle, die Barça zum ersten Mal zuschauen, überwältigte ihn
     das Gefühl, etwas noch nie Gesehenes zu erleben. »Was die gespielt haben, zack-zack, bumm-bumm – und der Trainer brüllte trotzdem
     die ganze Zeit herum. Ich fand den van Gaal fürchterlich.«
    In einer Trainingspause rief der Trainer die Mannschaft zusammen, um die nächste Übung zu erklären. Robert stand außerhalb
     des Spielerkreises, zwei Meter hinter den Kollegen.
    »Warum gehst du nicht in die Gruppe rein, du gehörst doch dazu?«, fragte der Vater auf dem Nachhauseweg.
    Robert antwortete nicht.
    »Das macht die Sache nur schwieriger, der Trainer sieht das doch auch und denkt sich: Der ist nicht integriert, nicht

Weitere Kostenlose Bücher