Robert Enke
involviert.«
Robert ging nicht darauf ein.
Etwas sperrte sich in ihm, wenn die Mannschaft auf dem Trainingsplatz eng zusammenstand. Es war nur ein diffuses Gefühl, aber
er wollte zeigen, dass er sich verstoßen fühlte. Er wollte, dass endlich jemand im Verein erkannte, wie schlecht es ihm |175| ging. Gleichzeitig wollte er niemandem offen zeigen, wie niedergeschlagen er war.
»Er trieb weiterhin Scherze mit mir während des Trainings«, sagt Roberto Bonano.
»Robert war sehr speziell«, sagt Victor Valdés, »es war schwierig zu erkennen, ob er fröhlich oder traurig war. Er sah immer
gleich aus.«
Lief das Training, packte ihn der Trotz. Denen würde er es zeigen.
Am Trainingsplatz La Masía, wo niemand zusehen durfte, waren große Löcher im Sichtschutz. Hinter den grünen Nylonplanen standen
die Sportreporter und Fans und lugten durch die Löcher, immer bereit wegzulaufen, wenn die Wachmänner ankamen. Die Sportreporter
und Fans sahen Patrick Kluivert, den Mittelstürmer, seine erhabene Art, sich zu bewegen, er schoss ansatzlos aus der Drehung,
Weltklasse, der Ball setzte wie gewollt sechs, sieben Meter vor dem Tor auf, damit der Schuss immer länger, für den Torwart
unerreichbar wurde, und Robert Enke spannte mit einem Ruck seinen Körper noch ein wenig mehr. Kurz bevor der Ball ins Toreck
flog, erreichte er ihn, niemand verstand wie. Danach, noch im Gras, wurde Robert Enke wieder von der reinen Freude überschwemmt,
die nur eine Torwartparade auslösen kann. Die Fans raunten, die Mitspieler johlten. Und fast alle vergaßen im nächsten Moment,
was sie gesehen hatten.
Barça hatte andere Sorgen, als sich um den Ersatztorwart zu kümmern. Elfter war die Mannschaft nach sechs Spieltagen in der
Meisterschaft, eine unerträgliche Platzierung. Einem atemlos zusammengekauften Team fehlte die Ausgewogenheit, es mangelte
an einem herausragenden defensiven Mittelfeldspieler und gesunden Verteidigern. Angesehene Internationale wie Frank de Boer
und Gaizka Mendieta waren außer Form, Riquelme, der Erlöser, wurde vom Trainer zum Ersatzmann degradiert. Für diese Elf mit
zu vielen Problemen war die gnadenlose Art van Gaals genau das, was sie nicht brauchte. »Die Sache wurde hässlich«, sagt Bonano.
»Das Ambiente war ein Wahnsinn, jeden Tag etwas anderes, mal war der Trainer wütend, dann ein Spieler |176| beleidigt, oder ein Vorstandsmitglied schlug auf uns ein. Jeden Tag versuchte ich mit Freude zur Arbeit zu gehen. Aber es
war schwierig.«
In der Hoffnung, endlich irgendetwas zu reparieren, wechselte der Trainer Ende Oktober schließlich den Torwart. Victor Valdés
hatte die Sprunghaftigkeit eines Debütanten nie abschütteln können. Van Gaal nahm ihn heraus und stellte Roberto Bonano ins
Tor.
Bonano war bis dahin die Nummer drei gewesen. Robert Enke die zwei.
»Gerade drei Monate waren vergangen, seit er mit so viel Euphorie in Barcelona angekommen war«, sagt Jörg Neblung, »und es
wurde schon wieder wie selbstverständlich davon geschrieben: Barça wird Enke bei der nächsten Gelegenheit verkaufen.«
Wenn er am Ende des Trainings die zwanzig Meter von der Masía zum Eingang der Umkleidekabinen marschierte, klackten seine
Stollen auf dem Asphalt. Die kurze Strecke reichte meistens, damit er nach seinem enormen Trainingseinsatz wieder in sich
zusammensackte. Dass er so gut trainiert hatte, erinnerte ihn nur daran, wie sinnlos seine Situation war.
Hoek, der Torwarttrainer, begleitete ihn manchmal vom Trainingsplatz. Wenn Hoek ihm etwas sagte, antwortete Robert höflich,
nicht selten mit einem Lächeln. Aber er sprach Hoek nicht mehr an. Der Torwarttrainer merkte es gar nicht. »Nach dem Training
marschiert Hoek immer direkt an seinen Computer und macht seine Aktiengeschäfte, oder was weiß ich«, sagte Robert, er schrie
fast vor Empörung. Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was daran so schlimm war: Hoek sah gar nicht, wie sehr er sich
nach einem lobenden Wort, nach der Frage sehnte, wie geht es dir eigentlich, Robert.
»Ein Torwart hat so viel Druck, von außen, von innen, da sollte der Torwarttrainer immer der Freund der Torhüter sein«, sagt
Walter Junghans, Roberts Mentor in Lissabon.
Frans Hoek sagt: »Robert Enke war ein liebenswerter, gut erzogener Mensch. Einem Torwart wie ihm musst du – bildlich |177| gesprochen – manchmal einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten, damit er aufwacht und sich der harten
Weitere Kostenlose Bücher