Robert Enke
macht
eine Ausbildung zum Fußball-Athletiktrainer, das Lernen bereitet ihm noch immer große Freude. Welch ein Glück, sagt er, hätten
sie als Profifußballer, dass ihnen ihr Beruf so viel Zeit zum Lernen lasse. Sein Weg führte Madrigal über Teams wie Levante
B, Sabadell und Villajoyosa, Dritte Liga allesamt, mit 33 zurück zum FC Novelda, der nun in der Vierten Liga antritt. »Es
gab Gerüchte nach meinen drei Toren gegen Barça, es hieß, Elche, der Zweitligist, wolle mich.« Er lächelt. »Gerüchte gibt
es immer im Fußball.«
Toni Madrigal glaubt nicht daran, dass ein Spiel eine Fußballkarriere verwandeln könne. Aber, sagt Toni Madrigal und denkt
an Robert Enke, vielleicht könne ein Abend sehr wohl ein Leben zeichnen.
|170| ZEHN
Gedanken am Swimmingpool
Er hätte gerne seine Karriere zerstört. Der Gedanke wurde immer stärker, immer verlockender: Und wenn er einfach nicht mehr
zum Training ging? Wenn er dem Sportdirektor sagte, zerreißt meinen Vertrag, auf Wiedersehen, ich höre auf mit dem Fußball?
Die Probleme begannen, wenn er weiterdachte. Was würde er danach tun?
Er war 25, er konnte doch nicht mehr einfach anfangen zu studieren, und welches Fach überhaupt. Als er sechs Jahre zuvor in
Mönchengladbach das Buch
100 Jobs mit Zukunft
gelesen hatte, war da kein Beruf gewesen, der ihn gepackt hätte; den er sich zutraute. Wenn ihn die Reporter bei Jugendländerspielen
gefragt hatten, welchen Beruf willst du einmal ausüben, falls es mit dem Fußball nicht klappt, hatte er geantwortet: Sportjournalist.
Aber Fußballreporter konnte er auch nicht mehr werden. Es würde ihn nur mit seinem Scheitern konfrontieren.
»Es war doch nur ein misslungenes Spiel, außerdem waren alle in der Mannschaft schlecht. Und der Valdés hat doch auch schon
ein paar Mal danebengegriffen.«
»Das ist etwas anderes. Den Victor schätzen die Trainer. Ich hatte nur diese eine Chance. Und die habe ich verpatzt.«
»Aber du bist so stark als Torwart. Über kurz oder lang wirst du dich durchsetzen. Ich glaube ganz fest an dich.«
»Es ist vorbei, Terri. Es hat keinen Sinn mehr. Am liebsten würde ich dem Sportdirektor sagen, er soll meinen Vertrag auflösen.«
Teresa fühlte, dass er das nicht machen würde. Aber sie erschrak trotzdem. Seine Traurigkeit klang so endgültig.
|171| Sie saßen am Swimmingpool in ihrem Garten und hatten nicht vor hineinzuspringen. Die Niederlage von Novelda war vier Tage
alt.
Für die anderen war einfach wieder der Alltag eingekehrt. Barça hatte drei Tage danach das nächste Ligaspiel 2:0 in Bilbao
gewonnen, mit Valdés im Tor und Frank de Boer wie selbstverständlich in der Innenverteidigung. Trainer van Gaal stand auf
dem Heimweg im Tunnel von Garraf im Stau, »zweieinhalb Stunden«, wie er sagte, und aus den anderen Autos streckten ihm die
Fahrer den erhobenen Daumen entgegen. Der FC Novelda hatte den ersten Punkt in der Dritten Liga erobert, 2:2 in Palamós, mit
einem Tor von Madrigal. Nur er blieb zurück. Eine Woche später, beim Derby gegen Espanyol Barcelona, tauchte Robert Enke nicht
mehr in Barças Aufgebot auf.
Er hatte während des stundenlangen Grübelns mit Teresa die Füße in den Swimmingpool gesteckt und sich eine Grippe eingefangen.
Teresa schrieb in ihren Taschenkalender.
Lange geschlafen, die Hunde auch. Robbi hat wieder eine Depression.
Heute, nachdem sie zwei klinische Depressionen erlebt hat, würde sie schreiben: Er hatte wieder ein schlimmes Stimmungstief.
Der Hilfstourismus begann. Jörg Neblung eilte nach Barcelona, später der Vater. Marco rief an und die Mutter mit ihrem unerschütterlichen
Optimismus, wieso war er eigentlich nicht wie sie? Als Jörg in Sant Cugat ankam, war auch noch Teresa krank. Sie hatte sich
angesteckt.
»Es gab einen großen Unterschied in Roberts Beziehung zu mir und zu Marco«, sagt Jörg. »Mit Marco, das war die unbeschwerte
Freundschaft. Ich aber war auch sein Berater. Da gab es Konflikte, wir haben uns oft gerieben, und es gab auch Momente, da
trat ich herrisch auf.«
Du gehst jetzt zum Training, sagte Jörg.
Du kannst dem de Boer auch mal öffentlich Kontra geben, sagte Jörg, als Robert wieder vom Training zurückkam.
|172|
Robert Enke mit seinem Manager und Freund Jörg Neblung. [15]
Robert sagte, »was soll das noch bringen«, und hielt sich von de Boer fern. Er mochte keine Konflikte, und er wollte noch
weniger an Novelda erinnert werden. »Ich war einfach geplättet.
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