Robert Enke
nicht, etwas geht nicht auf, während Victor Valdés auf dem Designersofa im Baucontainer von damals erzählt.
Der Valdés auf dem Sofa wirkt so absolut konträr zu dem Victor, den er beschreibt. »Ich war damals sehr verschlossen«, sagt
er offen, »im Fernsehen sah ich mir keinen Fußball an, weil ich dachte, ich müsste mich abschotten von allem, was mit dem
Spiel zu tun hat.«
Ein Baby und ein Trainer haben ihn verwandelt, sagt Victor Valdés, der Barças unangefochtener Torwart geworden ist, Champions-League-Sieger
2006 und 2009; der heute souverän agiert wie van der Sar. Sein Sohn Dylan, mittlerweile ein Jahr alt, hat ihn mit solch einer
Lebensfreude erfüllt, wie kann man sich nur abschotten, denkt sich Victor Valdés, es gibt doch so viel zu genießen, so viel
zu erfahren. Noch vor Dylans Geburt hatte Valdés das Glück, das nur den wenigsten Profifußballern zuteil wird. Er traf bei
Barça mit Pep Guardiola auf einen Trainer, der mehr will als irgendwie Erfolg haben. Seine Spieler sollen diesen Sport so
glühend lieben wie er. Victor, sagte Pep Guardiola, wenn du so weitermachst, ist irgendwann deine Karriere zu Ende, und du
hast diesen wunderbaren Beruf keinen Tag genossen, weil du immer nur angespannt bist, weil du immer nur unbedingt Erfolg willst.
Schau dir Fußball im Fernsehen an, versuche |184| das Spiel zu analysieren, warum zieht der Stürmer nach links, welchen Pass wird der Spielmacher gleich schlagen, und je mehr
du vom Fußball verstehst, desto mehr wirst du ihn lieben. »Pep hat meine Sicht auf den Fußball komplett verändert.« Früher
war Valdés das gesamte Spiel hindurch angespannt, er ballt die Fäuste im Baucontainer, die Adern treten an den Unterarmen
hervor, »meine Art zu spielen war bumm-bumm-bumm, raus-raus-raus. Pep lehrte mich, die Intensität während des Spiels oft herunterzufahren,
das Geschehen kalt zu analysieren statt immer nur grimmig entschlossen zu lauern.«
Seine neue Neugierde und Offenheit versteckt Victor Valdés mit 28 noch immer hinter der alten Verkleidung des eiskalten Torwarts.
Er hat die langen Haare der Jugend abrasiert und trägt zum kahlen Schädel gerne schwarze Kleidung inklusive Lederjacke. War
Roberts Eindruck richtig, dass ihn nichts beeindruckt, dass er auf dem Fußballfeld keine Zweifel, keine Ängste kennt?
»Vielleicht dachte Robert über Patzer mehr nach als ich. Ich scherte mich damals um nichts, ich war so weit, dass Fehler einfach
an mir abglitten.«
Victor Valdés lächelt wie jemand, der so in sich ruht, dass er sich auch an die schweren Momente gerne erinnern kann.
»Weißt du, von acht bis achtzehn war mein Leben so voller Druck, dass ich keine Ruhe fand.« Alles drehte sich um Fußball,
und »allein der Gedanke an das Spiel am nächsten Sonntag war der Horror. Im Tor zu spielen war – um es milde auszudrücken
– ein spezielles Leiden.« Die Angst, Fehler zu machen, die Furcht, die anderen zu enttäuschen; das hat man doch schon einmal
gehört.
Robert Enke hielt Abstand zu Victor Valdés, sie waren freundlich zueinander, aber ihr Gespräch blieb oberflächlich, eine Fassade,
und aus der Distanz schaute Robert Enke bewundernd genervt auf den Rivalen, der offensichtlich so abgebrüht war, wie er es
gerne sein wollte, wie man es wohl sein musste als Spitzentorwart. Wie gut hätte es Robert Enke getan zu erfahren, dass dieser
vermeintlich unverletzliche Jüngling einst dieselben Ängste wie er durchlebt hatte?
|185| »Weißt du, was mein Traum als Kind war?«, sagt Victor Valdés. »Ich wäre so gerne Feldspieler gewesen.«
Nach dem Training trafen Robert und ich uns öfter im Vorraum zu den Umkleidekabinen des Camp Nou, an den Wänden hingen Ölgemälde
von dramatischen Seeschlachten, wir versanken in den Ledersofas. Er stieg noch immer ein, wenn wir mit der Leidenschaft von
Philosophen über Torwarthandschuhe sprachen, warum die Naht am Daumen innen sein musste, er genoss wie eh und je den Klatsch
der Torwartzunft, Olli Kahn ist langsam geworden, der Gute; sein hintersinniger Humor brach unvermindert durch: Ȇberrascht
bin ich nicht, dass es für die Mannschaft nicht läuft«, sagte er, und das war erst einmal eine Überraschung angesichts Barças
Qualität – bis er weiterredete. »Ich kenne das doch schon. Teams, in denen ich spiele, bleiben immer hinter den Erwartungen
zurück.« Aber sein Gesicht machte die Selbstironie nicht mehr mit. Die Augen regten sich kaum
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