Robert Enke
weil er in der Vorbereitung gegen Bayern München einmal gepatzt hatte, und Robert Enke hatte von Bossios Missgeschick
profitiert. Aber das Glück, das man früher selbst einmal hatte, sehen die wenigsten in Situationen, wenn die Gunst nur den
anderen gewogen scheint.
Stille, kurze Freude wie nach dem Spiel in Brügge brachte ihn immer nur dazu, daran zu denken, wie aussichtslos alles war.
Am Tag nach seinem prächtigen Auftritt in Belgien widmete er sich den Sorgen. Er war der Erste aus Barças Mannschaft, der
Patrick Andersson anrief, um sich zu erkundigen, wie es dem Verteidiger nach einer Oberschenkeloperation ging. Robert Enke
identifizierte sich mit denen, denen es schlecht ging.
Nach dem Mittagessen fuhr er regelmäßig nach Manresa, eine halbe Stunde nach Norden, in das Land hinein, zur Linken der leuchtende
Berg Montserrat, Kataloniens Nationalsymbol. Im Tierheim Manresa arbeitete Teresa vormittags. Wenn er sie besuchen kam, gingen
sie mit den Heimhunden spazieren, mit den meisten mussten sie einzeln gehen, damit sich die Hunde nicht zankten und rauften.
Sie gingen zehn Mal hintereinander eine Runde, und Robert Enke sagte, »komm, wir holen noch einen aus dem Käfig, wir gehen
noch eine Runde«.
Mit den neuen Freunden, der deutschen Kolonie von Sant Cugat, fuhren sie an den Strand von Sitges, sie grillten im Garten,
er ging mit den Männern joggen und feuerte Teresa und |182| Dickens auf einem Springreitturnier an, wer hätte gedacht, dass der alte Fuchs noch einmal so springen würde. Es war November,
und sie lebten an der Sonne. Teresa glaubte, dass ihm die neuen Freunde nichts anmerkten. Er konnte noch vergessen, zumindest
für Stunden, ausgelassen mit den Freunden. Wenn er abrupt, mitten im Gespräch, mitten im Gelächter, für einen langen Moment
abwesend war, sagte niemand etwas. Einen Profifußballer, einen Star, behandeln die Leute immer mit besonderer Rücksicht, selbst
die Freunde, selbst wenn sie es gar nicht wollen.
An einem Sonntag rief er an. »Hast du gehört, was der Victor gemacht hat?«
Victor Valdés, zwanzig Jahre jung, erst vier Monate Erstligaprofi, hob die Welt aus den Angeln. Er meuterte gegen van Gaal.
Nachdem Valdés seinen Platz in der ersten Mannschaft an Bonano verloren hatte, schickte ihn der Trainer zurück ins B-Team,
damit der Torwart den Spielrhythmus behalte. Da mache er nicht mit, erklärte Valdés. »Mein Team ist die erste Mannschaft.«
Zur Partie des B-Teams gegen den FC Reus in der Dritten Liga erschien er nicht. Sein Handy schaltete er aus.
Louis van Gaal, der ständig brüllte, war sprachlos.
»Der Victor kennt keine Selbstzweifel«, sagte Robert Enke. Es klang bewundernd, es klang irritiert. »Und natürlich frage ich
mich manchmal, was, wenn ich genauso wäre?«
»Ich beging viele Jugendsünden«, sagt Victor Valdés, der riesige Adler auf seinem schwarzen T-Shirt schwingt die Flügel. »Aber
du musst die Situation verstehen: Vor jener Saison hatte ich ein Angebot vom FC Villarreal. Ich telefonierte mit van Gaal:
›Mister, ich kann nach Villarreal gehen.‹ Und van Gaal sagte mir: ›Nein, bleib, du bekommst bei mir eine Chance in der ersten
Mannschaft.‹ Als er mich dann nach elf Partien nicht nur aus dem Tor nahm, sondern ins B-Team zurückschickte, fühlte ich mich
verraten. Heute verstehe ich, was der Trainer bezweckte. Damals fühlte ich mich erniedrigt.«
Vier Tage nachdem er, ein 20-jähriger Neuling, offen den autokratischen Trainer herausgefordert hatte, entschuldigte sich |183| Victor Valdés, ohne wirklich einzusehen, dass er etwas falsch gemacht hatte. Er wurde wieder aufgenommen, »aber nichts wird
wie vorher sein«, sagte van Gaal. Valdés sollte mit dem Torwarttrainer Extraschichten einschieben, niemand nahm das Wort Straftraining
in den Mund; er müsse die Einheiten aufholen, die er geschwänzt habe, hieß es. Der andere Ersatztorwart sollte auch mitmachen,
es konnte ihm nicht schaden.
Allein mit Valdés und Hoek war Robert Enke draußen in der Masía. Der Torwarttrainer schrie,
» esto no
, Victor, du gehst zu früh runter, du spekulierst, ich will, dass du lange wartest, bevor der Schuss kommt, wie van der Sar«.
Nach einer Viertelstunde brach Victor Valdés wutentbrannt das Training ab. »Es endete schlimm«, sagt er. »Hoek und ich bewarfen
uns mit Fußbällen.« Robert Enke stand daneben, staunte und zweifelte mindestens genauso sehr an sich wie an Victor.
Aber etwas stimmt
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