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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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solchen Spielen und gehen trainieren bis zum Kotzen,
     bis der Frust raus ist.«
    »Eike, wie gut, dass du anrufst. Ich wollte mich bei dir in diesem Moment melden. Ich habe ein Riesenproblem, aber das können
     wir nicht am Telefon besprechen.«
    »Ich komme sofort bei dir im Hotel vorbei.«
    Es war seine Stimme, die Eike Immel Angst gemacht hatte. Hatte sich Teresa von ihm getrennt? War jemand aus seiner Familie
     gestorben? Das würde das hypernervöse Spiel erklären. »Ich sehe mich noch, wie ich eine halbe Stunden später im Hotel an seiner
     Zimmertür klopfte und dachte, ach du Scheiße, was kommt jetzt? Was dann kam, damit hätte ich nie gerechnet.«
    Zum Glück gab es Eike Immel. Eike war ein guter Typ. Immer am Reden, stets ein positiver Blick, obwohl ihn eine Hüftarthrose
     plagte, das Gelenk verschlissen in zwanzig Profijahren als Torwart, jeder Schuss schmerzte ihn, für einen Torwarttrainer nicht
     gerade ideale Voraussetzungen, aber das war jetzt nicht das Thema.
    Das Licht flutete durch die breiten Fensterscheiben in das Hotelzimmer. Der Bosporus glänzte in der Sonne. Am anderen Ufer
     lag Asien.
    Er wartete, bis sich Eike gesetzt hatte. Die Sessel waren in Rautenform, ockerbraun gemustert.
    »Ich muss meine Karriere beenden.«
    »Robert, was ist los?«
    »Ich kann nicht mehr. Ich habe nur noch Angst; Angst, das Hotelzimmer zu verlassen, Angst, die Zeitung aufzuschlagen, Angst,
     die Torwarthandschuhe anzuziehen.«
    Eike Immel dachte ein, zwei Jahrzehnte zurück, er war Nationaltorwart gewesen, Europameisterschafts-Halbfinalist, und er hatte
     überstürzt seinen Rücktritt aus der Nationalelf erklärt, als er 1988 zu spüren glaubte, der Bundestrainer setze auf einmal
     mehr auf Bodo Illgner. »Ich hatte vor jeder Saison Angst«, |208| sagt Immel, »Angst vor einem neuen Torwartrivalen, Angst vor einem neuen Trainer; an manchen Spieltagen reichte es, dass ich
     im Fünfmeterraum ein winziges Loch im Rasen entdeckte, dann hatte ich die ganze Zeit schreckliche Angst, oh Gott, wenn ein
     Schuss genau auf dieser Unebenheit aufsetzt, dann wird er unhaltbar.«
    Er kannte die Angst von Robert Enke, glaubte Eike Immel, aber er wusste doch auch, wie schnell sie wieder verfliegen konnte.
     Ein, zwei gute Spiele, und er hatte früher immer gedacht: Hoffentlich ist meine Abwehr heute richtig schlecht, damit ich 15
     schwere Schüsse draufbekomme – ich halte alles.
    »Robert, du konntest an den Toren nichts machen, an keinem der drei.« Immel glaubte das wirklich. »Und dass du nervös warst
     – was meinst du, wie es mir ging, als ich damals zum ersten Mal bei Manchester City im Tor stand, plötzlich in einem fremden
     Land. Ich bin in der ersten Halbzeit gegen Tottenham unter zwei Flanken durchgesegelt wie ein absoluter Anfänger, da hätten
     sie mich gleich wieder rauswerfen müssen. Und danach habe ich bei City eine richtig gute Zeit gehabt. Das wird dir hier auch
     so ergehen, glaub mir.«
    »Es ist zwecklos. Die Angst ist die ganze Zeit da. Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.«
    Sie redeten zwei Stunden, ehe Eike Immel einsah, dass er seinen Torwart verloren hatte. Er rief Daum an, Robert Enke saß daneben.
     Der Trainer kam wenig später auf Zimmer 1296. Er beende seine Karriere, sagte Robert Enke, er müsse sich behandeln lassen.
     Das Wort Depression fiel nie, immer nur: Angst. Daum hörte zu, er nickte und sagte, er verstehe Robert. Er werde ihm helfen,
     aus dem Vertrag herauszukommen.
     
    Jörg Neblung hatte inzwischen über die Deutsche Sporthochschule in Köln eine angesehene Psychologin ausfindig gemacht.
    Er hoffte, dass sie mit ihm nach Istanbul fliegen könnte, um Robert zu untersuchen, während er weiter für Fener spielte, als
     fehle ihm nichts.
    Er war der Berater, der seinem Schützling den Rücken freihielt, der ihn stärken musste, wo er nur konnte, glaubte Jörg |209| Neblung. Er hatte seine Nachricht auf dem Anrufbeantworter der Psychologin hinterlassen, sein Telefon klingelte. Vielleicht
     war sie das schon. Es war Daum. Jörg Neblung müsse morgen nach Istanbul kommen. Sie würden den Vertrag auflösen.
    Es wurde Dienstag, der zweite freie Tag nach dem Spiel gegen Istanbulspor. Robert Enke hatte nichts zu tun, außer auf Jörg
     zu warten. Von seinem Hotelzimmer aus sah er die Schiffe auf dem Bosporus, Dutzende Fähren, Öltanker, Ausflugsdampfer. Nirgendwo
     besitzt Wasser solch eine Kraft wie in Istanbul. Man kann eine Ewigkeit auf den Bosporus starren, und die

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