Roberts Schwester
mit Wasser zu versorgen. Ob Biller Jonas Torhöven oder Horst Fechner ebenfalls persönlich kannte, wusste Serge nicht. So ausführlich hatte Robert sich nicht darüber ausgelassen. Serge erzählte weiter, was er von Robert gehört hatte. Und während ich ihm zuhörte, begriff ich. Biller kannte die halbe Welt. Er reiste viel, das brachte der Beruf als Schlitzohr wohl so mit sich. Er beherrschte ein halbes Dutzend Fremdsprachen, war mit verschiedenen Landessitten vertraut. Er war ein Mann, den man ohne weiteres damit beauftragen konnte, Vorfälle zu klären, die sich fernab der Heimat zugetragen hatten. Einen Unfall zum Beispiel, bei dem angeblich ein Mann ums Leben gekommen war, der sich in Wahrheit nur ein perfektes Alibi beschaffen wollte. So etwas ließ sich in einem Staat, in dem alles hübsch bürokratisch und nur mit einem Dutzend Formularen erledigt werden kann, nicht bewerkstelligen. Dafür reiste man nach Hinterindien oder in den Kongo. Mir kam ganz plötzlich, wie ein Blitz, der quer durch mein Hirn fuhr, die so genannte Erleuchtung. Isabell hätte es niemals allein geschafft, meinen Bruder aus dem Weg zu räumen. Und ihr Bruder, der ihr vielleicht gerne geholfen hätte, saß im ersten Stock unseres Hauses fest. Sie hatte dennoch tatkräftige Hilfe gehabt, einen Mann, den kein Polizist der Welt mehr auf eine Fahndungsliste setzen oder des Mordes bezichtigen konnte, weil sein Name auf einem Grabstein stand. Konnte es ein perfekteres Alibi geben? Mir hatte Robert nie von Biller erzählt. Aber er hatte mir anscheinend vieles nicht erzählt. Was Robert jetzt von diesem Mann gewollt, womit er ihn am vergangenen Mittwoch beauftragt hatte, wusste Serge nicht. Aber ich wusste es, es gab nur diese eine Möglichkeit. Ein halbes Dutzend Fremdsprachen, vertraut mit verschiedenen Landessitten, Mittel besorgen. Beweise dafür erbringen, dass Horst Fechner nicht tot war. Wolbert hatte mir nicht gesagt, woran Fechner so plötzlich verstorben war. Ich wusste es auch so, ein Unfall. Irgendeine verstaubte, einsame Straße in einem fremden Land. Und irgendein armes Schwein, das zufällig des Wegs kam, hatte dran glauben müssen. Und plötzlich sagte Jonas in meinem Hinterkopf:
«Verbrannt!»
Das war die Lösung. Vielleicht hatte Jonas sogar mitgeholfen, hatte seine Verletzung bei diesem Unfall erlitten. Künstlerpech, ein Risiko, das sie nicht einkalkuliert hatten. Untergetaucht! Vermutlich war Fechner gleich nach Tunis aufgebrochen, als feststand, dass bei Robert mehr zu holen war als eine kleine Wohnung und ein bisschen Schmuck. Einen biederen, gutmütigen, rechtschaffenen und ehrlichen Menschen wie Jonas Torhöven verwandelte man auch kaum innerhalb weniger Stunden in ein habgieriges, skrupelloses Ungeheuer. Da brauchte es schon Zeit. Und Überzeugungskraft, vielleicht noch ein bisschen Schlagkraft hinterher. Ich musste sofort zu Wolbert und ließ mir von Serge ein Taxi rufen. Dann saß ich ihm gegenüber, dem ewig grinsenden Beamten der Mordkommission. Sein Milchbu- be saß am Nebentisch und gab sich den Anschein, wichtige Akten aufzuarbeiten. Aber er blätterte nur darin und hörte zu. Anfangs war ich noch einigermaßen ruhig, konnte gezielt fragen und bekam von Wolbert die Antworten. Sie hatten sich nicht nach Einzelheiten erkundigt. Sie hatten nur auf gut Glück in Frankfurt angerufen und von den dortigen Kollegen gehört, dass Fechner vor vier Monaten verstorben sei. Nach Ort und Umständen zu fragen, war Wolbert nicht in den Sinn gekommen. Wozu auch, der Mann war tot und damit aus dem Rennen. So ungefähr hatte ich es mir vorgestellt. Ich konnte nicht verhindern, dass ich etwas lauter wurde. Es war doch wirklich eine bodenlose Schlamperei. Ich hatte sie mit der Nase auf diesen Mann gestoßen, und sie taten nichts, saßen hier herum, spielten mit Tonbändern und klapperten die Apotheken und Druckereien ab, um mir die Hölle heiß machen zu können. Sie ließen sich abspeisen mit einem
«tot und begraben»
. Warum hatten sie nicht augenblicklich veranlasst, dass das Grab geöffnet und die Leiche exhumiert wurde? Das wäre doch das Mindeste gewesen.
«Ich will Ihnen sagen, wie und wo Fechner gestorben ist», sagte ich. Mag sein, dass ich dabei einmal kurz mit der Hand auf die Tischplatte schlug. Der Buttermilchknabe zuckte zusammen, als hätte ich ihn geohrfeigt. Er warf Wolbert einen Blick zu wie ein Hund, der auf das nächste Kommando wartet. Na, lauf schon und hol das Stöckchen. Aber Wolbert winkte vorerst ab,
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