Robin bekommt eine Schwester
mit. Er muß ja, denn Papa hält ihn ganz fest.
Die Vorhänge im Haus sind noch alle zugezogen. Das ist toll. Jetzt darf Robin auch hinter die Vorhänge.
Papa trägt Robin ins Haus. Er trägt Robin durch den Flur und öffnet die Tür zum Wohnzimmer. Er stellt Robin auf die Schwelle. Nun muß Robin selbst ins Zimmer laufen. Robin findet es ein bißchen gruselig. Es ist alles so anders, so eigenartig...
Im Zimmer brennen die Lampen. Am Bücherregal in der Ecke steht ein weißes Bett. Es ist sehr groß. Sehr hoch. Ganz weiß. Und in dem Bett liegt Mama. Sie ißt ein Biskuit.
Sie ißt einfach ein Biskuit!
„Tag, großer Bruder“, sagt Mama.
„Tag, Mama“, sagt Robin leise.
Er will zu Mama. Ganz vorsichtig. Auf Zehenspitzen. Aber dann, dann sieht er die kleine Wiege! Die Wiege steht neben dem großen, hohen weißen Bett. Es ist eine Wiege aus braunem Holz mit einem Himmel aus blauem Stoff.
Robin steht immer noch auf der Schwelle. Er möchte zu Mama gehen. Und er will das Baby sehen. Das Baby und Mama. Alle beide. Aber er steht immer noch auf der Schwelle.
Papa streichelt Robins Haar. „Geh mal gucken, Lieber“, sagt er.
„Zusammen?“ fragt Robin.
„Zusammen“, sagt Papa.
Papa gibt Robin die Hand, und zusammen gehen sie ins Zimmer.
Zu Mama im großen weißen Bett. Mama hat ihr schönes Nachthemd an. Papa gibt Mama einen dicken Kuß.
Robin läßt Papas Hand los. Er schiebt den Vorhang an der Wiege zur Seite. Die Wiege ist leer! Wo ist das Baby?
„Schau“, sagt Mama. Sie hebt die Bettdecke etwas hoch.
Ganz nah bei Mama liegt ein zusammengefaltetes Handtuch. Und da bewegt sich etwas im Handtuch! Mama hebt einen Zipfel vom Handtuch hoch, und Robin sieht einen winzigkleinen Kopf. Das Köpfchen wackelt ein bißchen hin und her. Robin sieht einen kleinen Mund und eine kleine Nase und zwei Augen, die noch schlafen.
„Das ist Suse“, sagt Mama.
Robin sieht feine Härchen auf dem winzigen Kopf. Sie sind mit einem dunkelroten Zeug verklebt. Wie die Haare von Mama, als ihr die Wanne auf den Kopf gefallen war und der Doktor kam.
„Was ist das?“ fragt Robin.
„Das ist noch ein bißchen Blut“, sagt Mama.
„Das geht nachher beim Baden ab“, sagt Papa.
„Gib deinem Schwesterchen einen Kuß“, sagt Mama.
Aber das will Robin nicht. Er kann keinen sauberen Fleck auf dem Köpfchen finden.
„Dann streichele sie mal“, sagt Mama.
Das traut sich Robin.
Er streichelt das Baby.
Es ist das kleinste Baby, das Robin jemals gesehen hat.
Robin wußte gar nicht, daß es überhaupt so kleine Babys gibt.
„Ich hole Knor“, sagt Robin.
Er rennt aus dem Zimmer. Er rennt die Treppe rauf, rennt in sein Zimmer, und da liegt Knor. Auf dem Bett. Robin schnappt sich Knor, hält ihn fest und rennt wieder aus seinem Zimmer, die Treppe runter und zurück ins Wohnzimmer.
Papa steht noch immer am großen, hohen weißen Bett. Er schaut Mama und das Baby an. Mama hat ihr schönes Nachthemd aufgeknöpft. Das Baby trinkt an ihrer Brust. Es macht schmatzende und knurrende Geräusche. Ab und zu rutscht Mamas Brustwarze aus dem kleinen Mund des Babys. Dann schiebt Mama die Brustwarze mit ihrem kleinen Finger wieder zurück in den kleinen Mund.
„Das ist Knor“, sagt Robin.
Das Baby trinkt schmatzend weiter.
„Was für ein Wüstling!“ sagt Robin.
Papa lacht.
Und auf einmal gibt Knor dem Baby einen Kuß! Einfach auf sein Köpfchen. Auf all das Blut!
„Wir müssen Oma und Opa anrufen“, sagt Papa. „Sie wissen überhaupt noch nicht, daß du ein Schwesterchen hast.“
„Darf ich es ihnen sagen?“ fragt Robin.
„Natürlich“, sagt Papa.
Papa wählt die Nummer, und Robin hält den Hörer.
Tuuut, hört er, tuuut, tuuut... Dann hört er Opas Stimme. Opa aus der großen Stadt! Robin ist auf einmal verlegen.
„Ich habe ein Schwesterchen“, flüstert er.
„Mein lieber Junge“, sagt Opa, „das ist ja toll!“
Robin nickt, aber das kann Opa nicht sehen.
„Wie heißt denn dein Schwesterchen?“ fragt Opa.
Das weiß Robin nicht. Er weiß es wirklich nicht. Er hat es vergessen.
„Wie heißt das Baby noch?“ fragt er Papa.
„Suse“, sagt Papa.
„Suse“, sagt Robin.
„Das ist ein schöner Name“, sagt Opa. „Wir kommen sie gleich morgen besuchen, Oma und ich. Und, Robin, hör mal, wieviel Zehen hat sie?“
Das weiß Robin auch nicht! Er legt den Hörer neben das Telefon und läuft zum großen, hohen weißen Bett.
„Wieviel Fußzehen hat Suse?“ fragt er.
Das Baby trinkt noch immer bei
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