Robin und Gott
nach draußen in den Schnee. Robin bleibt stehen und schaut auf Nellies Buch. Er hatte Recht. Es ist das Buch von Okki Pfeffernuss.
„Du gehst nicht zum Kindergottesdienst“, sagt Nellie.
Robin schüttelt den Kopf.
„Dann wird Gott dich schlimm bestrafen, glaube ich“, sagt Nellie.
Darüber erschrickt Robin!
„Ich brauche überhaupt nicht zum Kindergottesdienst“, sagt er schnell. „Ich weiß alles über Gott.“ Für einen Moment ist es Robin, als würde er träumen. In seinem Kopf sitzt ein Mann, der mit der einen Hand die Sonne und mit der anderen Hand den Mond am Himmel entlangschiebt. Wenn der Mann ausatmet scheint es, als würde es stürmen, dann schlagen die Wellen hoch über den Strand. Wenn er einatmet, kriechen die Wellen zurück ins Meer. Plötzlich sieht Robin, dass der Mann auch eine Hand hat. Damit schleudert er Blitzpfeile nach unten...
„Ich glaube an Gott“, sagt Robin leise.
„Das nützt nichts“, sagt Nellie. „Du musst zum Kindergottesdienst. Sonst wird dich Gott hart strafen.“
Nellie hüpft zur Kirche hinaus. Mit ihrer Apfelsine und ihrem Buch von Okki Pfeffernuss. Robin läuft hinter ihr her. Er hüpft nicht. Er kann nicht richtig hüpfen. Nellie kann prima hüpfen. Sie geht zum Kindergottesdienst. Robin nicht.
Draußen steht Opa und wartet. Robin gibt ihm eine Hand. Zusammen gehen sie nach Hause. Durch den Schnee und durch die Nacht.
Die Kirchenglocke läutet unaufhörlich. Robin kriegt Angst davon. Es ist, als würde ein riesiger Mann irgendwo zwischen Sonne und Mond gewaltige Topfdeckel gegeneinander schlagen.
„Opa...“, sagt Robin.
Er denkt nach. Er möchte etwas erzählen, etwas sehr Wichtiges. Das ist schwierig.
„Was ist denn, mein Junge?“, fragt Opa.
„Eigentlich“, sagt Robin, „bin ich ein Ritter von früher. Knor ist auch ein Ritter von früher. Ich bin Ritter Validon und Knor ist Ritter Bommerkraut. Papa sagt, dass alle Ritter an Gott glauben.“
„Das ist auch so“, sagt Opa.
„Denn die Ritter“, sagt Robin, „die wussten noch nichts über die Sonne und den Mond und das Meer und die Blitze.“
„Stimmt“, sagt Opa.
„Und ich“, sagt Robin, „versteh diese Sachen auch noch nicht so gut…“
„Also glaubst du auch ein bisschen an Gott?“, fragt Opa.
Robin holt tief Luft. Das wollte er sagen. Aber er hat sich nicht getraut. Opa hat es trotzdem verstanden. „Ja“, sagt er.
„Schön“, sagt Opa.
„Opa“, fragt Robin, „kann Gott einem etwas tun?“
„Was tun?“
„Also schlimm bestrafen...“
„Bist du jetzt total übergeschnappt?“
„Wenn man etwas Schlimmes tut“, sagt Robin.
„Da kümmert Gott sich nicht drum“, sagt Opa.
„Und wenn man nicht zum Kindergottesdienst geht?“
„Das macht Gott bestimmt nichts aus“, sagt Opa. „Außerdem...“
Opa ist still. Er denkt nach. Sehr lange. Viel zu lange. Er sagt:
„Außerdem kann Gott dich überhaupt nicht sehen.“
„Was?“, sagt Robin.
„Nein“, sagt Opa, „Gott kann dich nicht sehen.“
„Aber hören, oder?“, fragt Robin. „Er hat doch für jeden ein Ohr?“
„Stimmt“, sagt Opa, „aber Gott kann dich nur hören, wenn du es gerne möchtest. Nur wenn du es selbst willst, kann er dich hören. Dann hört er zu. Erst dann.“
„Aber wie kann er das?“
„Es ist fast so, als würdest du anrufen“, sagt Opa. „Wenn ich bald wieder in der großen Stadt bin, dann kann ich dich nicht sehen und auch nicht hören. Aber wenn du mich anrufst, dann kann ich dich schon hören! So ist das auch mit Gott. Und das Schöne an Gott ist, dass er immer zu Hause ist... Aber er kann dich nicht sehen. Wenn du mich anrufst, kann ich dich auch nicht sehen.“
„Kann Gott denn auch antworten?“, fragt Robin. „Das hat er schon mal getan“, sagt Opa. „Aber nicht so oft.“
„Dann...“, sagt Robin, „dann ist Gott also nicht gefährlich?“
„Aber nein!“, sagt Opa. „Ein Löwe ist gefährlich.“ Robin nickt.
„Ja“, sagt Robin, „denn ein Löwe kann einen schon sehen.“
„Du hast es begriffen“, sagt Opa.
Robin seufzt sehr tief. Er findet es gut, dass Gott nicht gefährlich ist.
Opa seufzt auch sehr tief.
„Das war ein schwieriges Gespräch“, sagt er.
„Aber du hast es gut gemacht, Opa“, sagt Robin. „Danke dir“, sagt Opa.
Die Kirchenglocke läutet immer noch laut.
Jetzt ruft die Glocke die Menschen nicht in die Kirche, jetzt schickt die Glocke die Menschen zurück nach Hause. Robin hat keine Angst mehr. Er versteht immer
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