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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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griff eine Flasche Wasser und trank gierig, reichte sie
dann weiter an Oman, der sich unterdessen ebenfalls in der
Küche eingefunden hatte.
„Sag’ schon, wo du plötzlich herkommst“, forderte Astrid mit
rauer Stimme. „Ich muss mir etwas überziehen, kühl hier.“ Sie
nahm erneut die Wasserflasche, ging, nun schon sicherer, in
das Wohnzimmer, dort an einen Schrank, dem sie ein
Hängekleid entnahm, das sie sich überstülpte.
Robina vermutete richtig, dass die beiden die
Zwischenlandung des Schiffes auf dem Boliden verschlafen
hatten. „Ich bin – eine Gestrandete.“ Robina überfiel plötzlich
Erinnerung und Trauer. Dann fasste sie sich: „… eine Art
weiblicher Robinson. Die Fremdlinge haben mich aufgelesen.
Ich heiße Robina… von der REAKTOM.“
„Spannend, erzähle!“ Aber Astrid wartete nicht auf eine
Reaktion Robinas, sondern lief, jetzt schon munter, mit
blähendem Gewand in die Küche, ganz Gewohnheit. Doch sie
wählte sorgsam eine konservierte Brühe und schickte sich an,
diese aufzuwärmen.
Oman, ebenfalls hinzugetreten, studierte das Etikett der Dose
und warnte: „Vorsicht, nur ein paar Löffel vorerst!
REAKTOM sagt mir nichts“, sagte er dann.
„Erzähle schon“, forderte Astrid, „wenn du uns schon
geweckt hast Eigentlich sollen wir…“ Sie verstummte, als ihr
Oman mit einem leichten Kopfschütteln einen Blick zuwarf.
Irgendwie empfand Robina die Komik der Situation. Sie hatte
die vergangenen Stunden fiebernd darauf gebrannt, zu
erfahren, wie die beiden Menschen auf das Schiff der Anderen
gerieten, war beinahe vergangen vor Neugierde, was sich auf
der Erde während ihrer Abwesenheit getan haben mochte, und
nun wurde sie bedrängt, von sich, von ihrer, im Gegensatz zu
dem, was sie hören wollte, belanglosen Geschichte zu
berichten. „Okay“, sagte sie ergeben, und sie schilderte in aller
Kürze ihren Lebensweg und beantwortete Fragen.
Sie saßen gemütlich in der Sesselecke des Wohnbereiches der
beiden Aufgewachten, tranken einen roten Wein noch aus
Robinas Vorräten, und gar nichts deutete darauf hin, dass das
Schiff geringfügig unter Lichtgeschwindigkeit durch das All
raste.
„… so bin ich hierher verschlagen worden“, beendete Robina
ihren Lebenslauf „Wir haben euch, bestimmt gegen den Willen
des Ersten, geweckt, weil ich, Menschenskinder, das müsst ihr
verstehen, mit meinesgleichen endlich wieder Kontakt haben
wollte. Und nun redet endlich, wie seid ihr auf das Schiff
geraten!“
„Das ist schnell gesagt.“ Oman nahm das Wort. „Dir ist
bekannt, dass sie vagabundieren auf der Suche nach einem für
sie passenden Planeten. Nun, sie nahmen an, mit der Erde
einen solchen gefunden zu haben, ohne Rücksicht darauf, dass
er bewohnt ist. Sie kamen als kompromisslose Usurpatoren,
brutal besitzergreifend. Wer sich nicht unterwarf, wurde
niedergemetzelt…“ Oman schilderte Details von Gräueltaten,
vom Vormarsch der Invasoren im Norden Finnlands. Er
berichtete von der heroischen Formierung des Widerstands,
von der Reaktivierung musealer Waffen… „Aber eine alte
Vision der Menschheit zerstob, dass alle, die interstellar reisen
und aus der Tiefe des Alls kommen können, angeblich
friedfertig und a priori human sein müssen, weil nur die
gemeinsame Kraft einer Spezies solcher wissenschaftlichen
Höchstleistung fähig sein sollte. Wir wurden schnell eines
Besseren belehrt. Du weißt, dass die Menschheit seit einem
halben Jahrhundert global abgerüstet ist, Vernichtungskriege
der Vergangenheit angehörten. Sie trafen uns also völlig
wehrlos. Und unsere eigene Geschichte lehrt uns ja, dass man
gegen ein Maschinengewehr mit einem Palmwedel nichts
ausrichtet. Stets haben stärkere, sprich: besser bewaffnete
Menschengruppen im Macht- und Profitstreben die
schwächeren nieder gemacht. Denk an die Kreuzzüge, an das
Indianerschlachten, das Sklavenelend oder, aus der jüngeren
Historie, als man glaubte, die Vernunft hätte längst siegen
müssen, die verheerenden Ölkriege. Einer vernichtend
trügerischen Vision also sind wir aufgesessen.
Nun, nach großen Verlusten ist es gelungen, den aggressiven
Kern der Angreifer zu vernichten. Die übrigen, bei denen wir
uns jetzt befinden, haben sich mit der Menschheit arrangiert
und sind auf ihre Odyssee zurückgekehrt. Aber du siehst, ihre
Haltung zu uns Menschen ist, na, zumindest differenziert. Der
Erste mag uns nicht sonderlich, der jetzige Wachhabende
reicht uns die Hand.“ Oman trank einen Schluck. –
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