Robinson Crusoe
nicht mehr ganz so wie vordem. Durch die Kraft der Wellen und Winde war es umgedreht worden und lag nun mit dem Boden nach oben gegen ein hohes Riff des felsigen Strandes; nur daß kein Wasser mehr darum her war.
Wenn ich Hilfe gehabt hätte, um es aufzurichten und wieder ins Wasser zurückzuschieben, würde das Boot noch gut genug gewesen sein, und ich hätte leicht mit ihm nach Brasilien zurückkehren können. Aber ich hätte voraussehen müssen, daß ich es ebensowenig umdrehen und wieder auf den Kiel setzen könnte, als
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ich die Insel von der Stelle zu bewegen vermochte.
Trotzdem ging ich in den Wald, hieb mir Stangen und Walzen und brachte sie zum Boot, um zu versuchen, was ich damit ausrichten könnte.
Ich scheute keine Mühe bei dieser fruchtlosen Arbeit und brachte wohl drei oder vier Wochen damit zu.
Schließlich sah ich ein, daß ich mit meinen geringen Kräften unmöglich das Boot heben könne, und versuchte den Sand wegzugraben, um es zu
unterhöhlen, damit es umfiele; auch spreizte ich Holzpflöcke dagegen, um es beim Fallen zu stützen.
Aber auch nachdem dies vollbracht war, vermochte ich nicht, es umzudrehen oder darum» zu gelangen, viel weniger es zum Wasser hinzuschieben. Also mußte ich's bleiben lassen. Trott alledem aber wuchs mein Wunsch, mich auf das Festland zu wagen, immer mehr, anstatt nachzulassen, so unmöglich es auch schien, ihn zu verwirklichen.
Schließlich kam ich auf den Gedanken, ob es nicht möglich sei, mir selber, auch ohne Werkzeug und fremde Hilfe, ein Kanoe oder eine Piroge zu machen, auf die Art, wie die Eingeborenen jener Gegenden es tun, nämlich aus dem Stamme eines großen Baumes.
Dies erschien mir nicht nur möglich, sondern leicht, und ich schmeichelte mir recht mit diesem Gedanken, da ich vermeinte, viel mehr Hilfsmittel zu haben ab die Neger oder Indianer, bedachte aber nicht, daß sie eines vor mir voraus hatten, was viel wichtiger war, nämlich, daß sie viel mehr Hände hatten, um es ins Wasser zu bringen, wenn es fertig war. Was half es mir, wenn ich imWalde einen großen Baum fand, ihn mit großer Mühe fällte, mit meinen Werkzeugen die
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Außenseite in die rechte Form eines Bootes brachte, das Inwendige hohl ausbrannte und ausgrub und so wirklich ein Boot zustande brachte, das ich schließlich doch dort liegenlassen mußte, wo ich es gefunden hatte, weil ich es nicht ins Wasser zu ziehen vermochte?
Man sollte meinen, ich müßte entweder alle meine Sinne bei dieser Bootsbauerei verloren haben oder aber zu allernächst darauf bedacht gewesen sein, wie ich es ins Wasser bringen würde. Aber meine Gedanken waren so toll auf die Reise übers Meer erpicht, daß ich gar nicht daran dachte, wie ich es vom Lande fortschaffen sollte; und dabei wäre es ja wirklich leichter für mich gewesen, es fünfundvierzig Meilen weit über die See hinwegzusteuern, als es über die fünfundvierzig Faden Land von der Stelle, wo es lag, aufs Wasser zu schaffen.
Ich ging an die Arbeit an diesem Boot wie ein rechter Narr und nicht wie ein Mann, der seine fünf Sinne beisammen hatte, und machte mir in meiner Freude über mein Vorhaben gar keine klaren Gedanken darüber, ob ich auch imstande sein würde, es durchzuführen. Manchmal fuhr mir wohl dieses Bedenken durch den Kopf; aber ich gab mir dann selber die närrische Antwort: Erst will ich es fertigmachen. Was gilt's, ich finde zu dem ändern dann schon Mittel und Wege! Das war höchst verkehrt gedacht; aber ich war ganz von meinem Wahn besessen und machte mich ans Werk.
Ich fällte also in meinem Eifer eine Zeder. Ich glaube kaum, daß Salomon eine solche hatte, als er den Tempel von Jerusalem baute. Sie war 22 Fuß lang
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und maß 5 Fuß 10 Zoll Durchmesser am dicken Ende und 4 Fuß 11 Zoll am oberen Ende, wo sie dann dünner wurde und sich in Äste teilte. Ich konnte diesen Baum nur mit größter Mühe fällen. Zwanzig Tage brauchte ich, um ihn umzuhauen, und vierzehn weitere, um die Krone, Zweige und Äste abzuschlagen, die ich alle mit meiner Axt und meinem Beil unter vielem Schweiß durchhacken mußte.
Hierauf kostete es mich noch einen Monat, ihm einiges Geschick und Ebenmaß zu geben und so etwas wie den Kiel eines Bootes zustande zu bringen, damit es ordentlich aufrecht schwimmen könnte. Drei weitere Monate brauchte ich, um die Innenseite auszuarbeiten, und zwar tat ich das ohne Feuer, nur mit Schlegel und Meißel, bis ich denn endlich eine recht hübsche Piroge fertiggebracht hatte, die
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