Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
das Boot mit Leichtigkeit zwanzig Mann zu tragen vermochte.
Nicht wenig überraschte es mich zu sehen, wie geschickt und rasch Freitag das große Fahrzeug im Wasser zu bewegen und zu lenken verstand. Auf meine Frage, ob wir wohl darin die Überfahrt wagen dürften, sagte er: »Ja, wir können wagen recht gut, wenn auch weht großer Wind«. Meine weitere Absicht ging nun darauf, einen Mastbaum und ein Segel anzufertigen und das Boot mit Anker und Tau zu versehen. Ein Mast war leicht genug zu bekommen. Ich wählte mir eine schlanke junge Ceder, die sich in der Nähe befand, aus, denn an solchen Bäumen war auf der Insel Überfluß. Freitag mußte sich daran machen, sie zu fällen, und ich beschied ihn, welche Gestalt sie haben müsse. Die Sorge für das Segel mußte ich selbst übernehmen. Ich wußte, daß ich alte Segel oder wenigstens Segelstücke in Menge hatte. Da sie aber jetzt bereits sechsundzwanzig Jahre unbenutzt gelegen, und ich sie nicht sehr sorgsam aufbewahrt hatte, weil mir nie der Gedanke gekommen war, sie je gebrauchen zu können, glaubte ich, sie seien sämmtlich verfault. Mit den meisten war dies auch der Fall. Jedoch fand ich zwei noch leidlich aussehende Stücke, machte mich an die Arbeit und brachte mit großer Mühe und durch natürlich sehr langsame und plumpe Näherei (denn ich hatte ja keine Nadeln) endlich ein dreieckiges mißförmiges Ding heraus, das der Gestalt nach der Art ähnelte, die wir in England ein Hammelsbugsegel nennen. Man benutzt diese mit einem Segelbaum am unteren Ende und einem kleinen kurzen Spriet am oberen. Mit einem solchen Segel wußte ich am besten umzugehen, weil sich ein derartiges, wie ich früher erzählte, in dem Schiffe befunden hatte, in welchem ich von der afrikanischen Küste geflohen war.
Die letztere Arbeit (nämlich die Anfertigung des Mastes und der Segel) nahm noch fast zwei weitere Monate in Anspruch. Ich vervollständigte mein Werk, indem ich noch ein kleines Fock und ein Besansegel hinzufügte, für den Fall, daß wir gegen den Wind gingen. Vor Allem aber brachte ich ein Steuerruder am Sterne des Schiffes an. Ich war zwar nur ein Dilettant in Schiffsbauangelegenheiten, aber da ich den Nutzen und sogar die Notwendigkeit eines solchen Dinges kannte, gab ich mir die größte Mühe und brachte es endlich auch leidlich zu Stande. In Folge der vielen fehlgeschlagenen Versuche aber kostete mich diese Arbeit, glaube ich, fast ebenso viel Anstrengung als die Erbauung des Boots selbst.
Nachdem dies Alles vollbracht war, hatte ich zunächst noch Freitag in der Lenkung des Boots zu unterweisen. Denn obwohl er sehr gut mit einem Canoe umzugehen verstand, wußte er doch Nichts von allem, was zum Segeln und Steuern gehört. Er staunte nicht wenig, als er mich das Boot hier- und dahin mit dem Steuer lenken und das Segel, je nach der Richtung, die wir einschlugen, sich blähen sah, und stand ganz verdutzt und überrascht dabei. Jedoch durch ein wenig Übung machte ich ihn mit all diesen Dingen vertraut, und er wurde bald ein ganz geschickter Matrose, nur daß er vom Gebrauch des Kompasses keinen rechten Begriff erlangen konnte. Übrigens war auch, da der Himmel in diesem Klima selten umnebelt und das Wetter nicht oft trübe ist, der Gebrauch jenes Hülfsmittels nur selten geboten. Man konnte sich des Nachts immer nach den Sternen richten, und des Tags sah man ja stets die Küste, ausgenommen während der Regenzeit, in welcher aber auch Niemand Lust haben konnte, sich auf das Meer zu wagen.
18. Die Geretteten
I ch hatte jetzt das siebenundzwanzigste Jahr meiner Gefangenschaft angetreten. Unter dieser Benennung darf ich freilich die letzten drei Jahre, in denen ich ein menschliches Wesen zur Gesellschaft gehabt hatte, eigentlich nicht mitbegreifen, denn während dieser Zeit war meine ganze Lebensweise eine völlig andere gewesen als sonst. Ich feierte den Jahrestag meiner Landung mit demselben Dankgefühl gegen Gott wie die früheren, ja die Empfindung der Dankbarkeit war jetzt in mir noch um Vieles höher als ehedem, da mir ja so viel neue Zeugnisse der göttlichen Fürsorge für mich zu Teil geworden waren, und ich sogar große Hoffnung auf wirkliche und baldige Erlösung gefaßt hatte. Denn es hatte sich jetzt in mir der unbewegliche Glaube festgesetzt, daß meine Befreiung nahe sei, und daß ich kein ganzes Jahr mehr an diesem Ort verbringen werde. Trotzdem aber versäumte ich mein Hauswesen darum keineswegs. Ich fuhr fort zu graben, zu pflanzen, meine
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