Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
erkennen könnte. Ihre Abfahrt geschah bei gutem Winde zur Zeit des Vollmonds, nach meiner Berechnung im Monat Oktober. Übrigens hatte ich eine genaue Rechnung weder über die Tage, noch sogar über die Jahre geführt; hatte aber die letzteren, wie sich später zeigte, dennoch richtig gezählt.
Zu der Zeit, als ich schon etwa eine Woche lang auf die Rückkehr meiner Abgesandten wartete, trat ein gar merkwürdiges und unverhofftes Ereignis ein, das mir ein so wichtiges war wie kein anderes, davon die Weltgeschichte berichtet.
Ich schlief eines Morgens fest in meiner Behausung, als Freitag hastig hereinstürzte mit dem lauten Ausruf: »Herr, Herr, sie sind da!« Sofort sprang ich auf und eilte, sobald ich angekleidet war, unbekümmert darum, ob ich mich einer Gefahr aussetze, durch mein jetzt ziemlich dicht gewordenes Gehölz. Wenn ich sage: unbekümmert um die Gefahr, so meine ich damit, daß ich gegen meine Gewohnheit ohne Waffen ausging. Nach der See ausschauend, gewahrte ich in einer Entfernung von etwa einer und einer halben Meile ein mit lateinischem Segel versehenes Langboot, das mit lustigem Winde nach der Insel zusteuerte. Es kam aber, wie ich sogleich bemerkte, nicht von jener Seite, auf der wir die Küste hatten liegen sehen, sondern von dem südlichsten Ende der Insel her.
Mit Rücksicht hierauf rief ich Freitag und befahl ihm, sich dicht neben mir zu halten, weil dies nicht die von uns Erwarteten sein könnten, und wir nicht wüßten, ob sie als Freunde oder Feinde kämen. Dann ging ich, um ein Fernglas zu holen, nahm die Leiter und bestieg den Gipfel des Hügels, wie ich zu tun pflegte, wenn ich ungesehen beobachten wollte. Kaum hatte ich den Hügel betreten, als ich deutlich ein Schiff, etwa zwei Meilen gegen Südost von mir, aber nur anderthalb Meilen von unserer Küste entfernt, vor Anker liegen sah. Ich erkannte das Fahrzeug deutlich als ein englisches, und auch das Langboot schien ein solches zu sein.
Mein Seelenzustand war unbeschreiblich. Wie unaussprechlich ich mich auch darüber freute, ein Schiff zu sehen, das vermutlich mit Landsleuten von mir, also mit Freunden bemannt war, so überkamen mich doch ich weiß nicht was für Bedenken, die mir geboten, auf der Hut zu sein. Ich fragte mich zunächst, was wohl ein englisches Schiff in dieser Gegend, durch welche kein Weg hin oder zurück von einem englischen Handelsplatz führe, zu suchen haben könne. Stürme, die es hätten verschlagen haben können, hatten in jüngster Zeit nicht stattgefunden; deshalb nahm ich an, daß die Mannschaft, wenn sie wirklich aus Engländern bestände, schwerlich Gutes im Schilde führe, »und«, sagte ich mir, »es ist jedenfalls besser für dich, zu bleiben, wo du bist, als in die Hände von Dieben und Mördern zu fallen«.
Niemand verachte solche geheime Hinweisungen und Winke auf Gefahren, wenn sie ihm auch da zu Teil werden, wo er an ihre Begründung nicht glauben mag. Wer das Leben beobachtet hat, wird das Vorhandensein solcher Fingerzeige nicht leugnen. Unzweifelhaft sind sie Kundgebungen einer unsichtbaren Welt und eines Zusammenhangs der Geisterwelt mit der unsrigen, und warum sollen wir, wenn wir ihre Absicht, uns zu warnen, erkennen, sie nicht für die Bezeigungen freundlicher Genien höherer oder geringerer Art, die zu unserm Besten zu dienen bestimmt sind, halten?
Gerade das hier in Rede stehende Ereignis bestätigte mir diese Ansicht. Denn wäre ich nicht durch jene geheime Mahnung, mag sie nun gekommen sein, woher sie wolle, vorsichtig gemacht worden, so wäre ich unvermeidlich zu Grunde gegangen und in ein viel größeres Elend geraten als je zuvor, wie sich gleich zeigen wird.
Ich befand mich noch nicht lange auf meinem Posten, als ich das Boot nach meiner Küste steuern sah, wie wenn es dort einen bequemen Landungsplatz suche. Da es aber nicht nahe genug heran kam, gewahrte die Mannschaft nicht die früher von mir mit meinen Flößen benutzte Bucht, steuerte vielmehr nach einer Bai, die etwa eine halbe Meile von mir entfernt war. Das aber gereichte entschieden zu meinem Glück. Denn in jenem Falle würden die Fremden sozusagen dicht vor meiner Tür gelandet sein, meine Festung bald erstürmt und mich vielleicht aller meiner Habe beraubt haben. Sobald sie gelandet, bestätigte sich meine Vermutung, daß sie Engländer seien, wenigstens in Bezug auf die meisten. Zwei davon hielt ich für Holländer, jedoch, wie sich nachher ergab, mit Unrecht. Von den elf Leuten, die ich erkannte, waren drei
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