Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
so viel Gerste übrig, als für unseren eignen Gebrauch bis zu der erst nach sechs Monaten zu erwartenden Ernte (hierbei rechne ich die Zeit der Beackerung mit, denn natürlich braucht das Korn in diesem Klima nicht sechs Monate, um heranzureifen) erforderlich war.
Da wir jetzt zahlreich genug waren und uns vor den Wilden, wenn sie nicht in sehr großer Übermacht zu uns kamen, nicht zu fürchten brauchten, durchstreiften wir ungehindert, so oft es die Gelegenheit bot, die ganze Insel. Nachdem wir nun einmal den Plan zu unsrer Befreiung gefaßt hatten, war es, wenigstens für mich, unmöglich, das Sinnen auf die Mittel zu derselben auch nur kurze Zeit aus den Gedanken zu verlieren. So zeichnete ich mir denn vor Allem einige taugliche Bäume aus und ließ sie durch Freitag und seinen Vater unter der Aufsicht des Spaniers fällen. Ich zeigte ihnen, mit welcher unermüdlichen Anstrengung ich früher einen großen Baum in einzelne Bretter verarbeitet hatte, und ließ sie in gleicher Weise mehr als ein Dutzend Planken aus gutem Eichenholz anfertigen. Dieselben waren beinahe zwei Fuß breit, fünfunddreißig Fuß lang und zwei bis vier Zoll dick. Welche ungeheure Arbeit ihre Anfertigung erforderte, kann man sich denken.
Unterdessen bemühte ich mich auch, meine Ziegenherde möglichst zu vergrößern. Freitag mußte abwechselnd den einen Tag mit mir, den anderen mit dem Spanier ausgehen, bis wir über zwanzig Ziegenlämmer zur Aufzucht gefangen hatten. So oft wir nämlich eine Mutterziege erlegt hatten, brachten wir die Jungen zu der Herde. Ferner, als die Zeit zur Traubenernte kam, ließ ich eine solche große Menge an den Bäumen aufhängen, daß wir, wenn wir in Alicante gewohnt hätten, wo die Rosinen in der Sonne getrocknet werden, gewiß sechzig bis achtzig Fässer damit hätten füllen können. (Neben dem Brot bildeten nämlich die Rosinen, die sehr nahrhaft sind, unsre Hauptspeise.)
Der Herbst hatte sich jetzt eingestellt, und wenn die diesmalige Ernte auch nicht die reichlichste war, die ich überhaupt auf der Insel erlebt hatte, so entsprach sie doch unserm Zweck. Denn aus den zweiundzwanzig Maß Gerste der Aussaat gewannen wir über zweihundertundzwanzig Maß. In gleichem Verhältnis stand der Reisertrag zur Saat. Dieser Vorrat hätte nun sicherlich bis zur nächsten Ernte ausgereicht, wenn auch alle sechzehn Spanier bei uns gewesen wären. Auch zur Ausrüstung für eine Reise bis zum entlegensten Teil von Amerika genügte er vollkommen. Sobald wir unser Getreide eingebracht hatten, fertigten wir neue große Körbe an, in die wir es dann füllten. Der Spanier stellte sich hierbei besonders gescheidt an. Er sprach seine Verwunderung aus, daß ich solches Flechtwerk nicht auch zur Einfriedigung meiner Wohnung angewendet habe, was ich jedoch für eine unnötige Arbeit erklärte.
Da wir nun so gut verproviantiert waren für alle zu erwartenden Gäste, gestattete ich dem Spanier, nach dem Festland zu reisen, damit er mit seinen zurückgelassenen Gefährten unterhandle. Ich gab ihm eine schriftliche strenge Anweisung, Niemanden mitzubringen, der nicht in Gegenwart des Spaniers und des Vaters meines Freitag zuvor geschworen habe, in keiner Weise sich gegen den zu vergehen, der die Boten zu ihrer Befreiung ausgesendet habe, daß sie vielmehr mir beistehen und mich gegen jeden Angriff verteidigen, sowie daß sie sich gänzlich meinen Befehlen unterwerfen wollten. Dies Schriftstück sollte ihnen zur Unterzeichnung vorgelegt werden. In welcher Weise eine solche bewerkstelligt werden könnte, da die Leute ja weder Feder, noch Tinte besaßen, hatten wir freilich außer Betracht gelassen.
Mit den erwähnten Anweisungen begaben sich denn die Spanier und Freitags Vater in einem der Boote, in denen sie zu der kannibalischen Mahlzeit der Wilden herübergebracht waren, auf die Reise. Jedem von ihnen gab ich ein Gewehr und Munition zu etwa acht Schüssen mit, unter der eindringlichen Ermahnung, gut damit hauszuhalten und nur bei entschiedener Nötigung davon Gebrauch zu machen.
19. Die Freibeuter
D iese Vorbereitungen zu meiner Befreiung nach mehr als siebenundzwanzig Jahren der Gefangenschaft auf dieser Insel waren mir eine köstliche Beschäftigung. Ich gab den Reisenden einen Vorrat von Brot und Rosinen mit, welcher für sie und die sämmtlichen Spanier auf viele Tage reichte, und wünschte ihnen von Herzen glückliche Reise. Wir kamen über ein Zeichen überein, an welchem ich sie bei ihrer Rückkehr schon in der Ferne
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