Robocalypse: Roman (German Edition)
mach ihnen Beine«, sage ich.
»Alles klar, Sergeant. Übrigens, da verstecken sich Stumper auf neun Uhr. Fünfzig Meter weiter.«
Ich mache mir nicht mal die Mühe, zu der Stelle hinüberzusehen. Die Stumper halten sich sowieso im Boden verborgen und lauern auf Erschütterungen und Wärme. Ohne Sensoren kann ich sie nicht sehen.
»Bin gleich zurück«, fügt Carl hinzu und zieht sich sein Visier wieder über die Augen. Er grinst mich kurz an, wendet dann seinen Stahlstrauß und stapft hinaus auf die Ebene. Tief in den Sattel gebeugt, sucht er den Horizont nach dem auf uns wartenden Höllensturm ab.
»Du hast ihn gehört, Cherrah«, wende ich mich an sie. »Fackel sie ab.«
Die neben mir hockende Cherrah zielt mit ihrem Flammenwerfer auf die Stelle und spritzt lange Feuerbögen über die Tundra.
So geht das schon den ganzen Tag. Es ist also nicht viel passiert. In Alaska ist gerade Sommer, deshalb wird es noch fünfzehn weitere Stunden lang hell sein. Die zwanzig Spinnenpanzer der Gray-Horse-Army bilden eine ungefähr acht Meilen breite, unregelmäßige Front. Jeder zieht eine im Gänsemarsch vorrückende Gruppe Soldaten hinter sich her. Manche von ihnen tragen besondere Exoskelette: Sprinter, Brückenspanner, Lastenträger, Artillerieaufsätze sowie Sanitäteranzüge mit langen, gebogenen Armen zum Aufsammeln von Verwundeten. Seit Stunden stapfen wir jetzt schon über diese leere weiße Ebene und heben Stumper aus. Aber wer weiß, was es hier draußen noch alles gibt.
Es macht mich verrückt, wenn ich daran denke, wie gut Rob die ganze Zeit mit seinen Kräften gehaushaltet hat. Am Anfang des Krieges hat er uns unsere technischen Lebensgrundlagen geraubt und sie gegen uns gewendet. Ansonsten hat er jedoch eigentlich nicht mehr getan, als die Heizung auszuschalten und den Rest der Kälte und dem Sturm zu überlassen. Er hat uns aus unseren Städten verjagt und uns gezwungen, in der Wildnis miteinander um Nahrung zu kämpfen.
Kacke. Schon Ewigkeiten her, dass ich einen Roboter mit ’ner Knarre gesehen habe. Immer nur diese kleinen Plugger und Stumper und Grashüpfer. Die uns nicht töten sollen, sondern nur so schwer verletzen, dass wir uns nicht näher heranwagen. Rob hat die letzten vier Jahre praktisch damit verbracht, bessere Mausefallen zu bauen.
Aber auch Mäuse können lernen.
Ich spanne das MG und haue einmal kräftig mit der flachen Hand gegen den Schaft, damit das Eis vom Lauf fällt. Unsere Gewehre und Flammenwerfer halten uns am Leben, doch unsere wirksamsten Waffen laufen dreißig Meter hinter Houdini.
Der Freeborn-Squad ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Big Rob hat sich auf Waffen spezialisiert, die Menschen verletzen. Ihnen Stücke aus dem Körper reißen. Sich in unser weiches Fleisch bohren. Unsere Leichen zum Reden bringen. Rob hat unsere Schwachpunkte gefunden und sie ausgenutzt. Aber ich habe das Gefühl, er hat es mit dem Spezialisieren vielleicht etwas zu weit getrieben.
Zu uns gehören nicht mehr nur Menschen. Ein Stück hinter mir laufen ein paar Soldaten in unserem Trupp mit, die trotz der Kälte ihren Atem nicht sehen können. Sie zucken nicht zusammen, wenn plötzlich ein Stumper neben ihnen aus dem Schnee kriecht, und werden auch nach fünf Stunden Marsch nicht müde. Sie rasten nicht, blinzeln nicht und reden nicht.
Stunden später erreichen wir die ersten Ausläufer eines riesigen Nadelwalds – die Taiga. Der orangefarbene Sonnenball nähert sich bereits dem Horizont, und kränklich wirkendes Abendlicht sickert zwischen den Zweigen hindurch. Nur das regelmäßige Knirschen unserer Schritte und das gelegentliche Flattern von Cherrahs Zündflamme stört die Stille.
Wir wissen es noch nicht, aber wir haben die Hölle erreicht – die übrigens tatsächlich zugefroren ist.
Ein zischendes Geräusch ertönt, wie von brutzelndem Speck. Dann schallt ein lautes Aufklatschen durch den Wald. »Plugger!«, schreit Carl, der auf seinem hohen Zweibeiner dreißig Meter weiter durch die Tannen stapft.
Tschack, tschack, tschack, tschack.
Stotternd spuckt Carls MG Kugeln in den Schnee. Zwischen den Bäumen kann ich die glänzenden Beine des Gehers umherhüpfen sehen wie um eine nach ihm beißende Schlange.
Pschtscht. Pschtschtscht.
Ich zähle vier in den Boden geschossene Anker, mit denen die Plugger ihren Abschusssockel festzurren. Carl sollte besser eiligst aus ihrer Schussbahn verschwinden. Mehr als einer ist nicht nötig – das wissen wir alle.
»Lass es hier drüben
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