Robocalypse: Roman (German Edition)

stöhnt er leise auf. Zu mir sieht er nicht, sondern hält den Blick starr nach unten gerichtet. Tränen laufen seine Wangen hinab und vermischen sich mit getrocknetem Blut. Als ich ihn erneut um Verzeihung bitte, reagiert er gar nicht darauf. Seine Augen weichen nicht von den toten, mit Mascara umrahmten Kameraaugen des Dings, das er so zärtlich in seinem Schoß wiegt.
    Schließlich stehe ich auf und gehe davon. Ich habe ein schlechtes Gefühl im Bauch, und mir schwirrt der Kopf vor lauter Fragen. Wie sehr ich das alles bereue! Hätte ich Mr. Nomura bloß in Ruhe gelassen und nie in seinen Bemühungen gestört, irgendwie mit dem Leid zurechtzukommen, das die Welt ihm angetan hat. Und diejenigen, die darin leben.
    Während ich davongehe, kann ich Mr. Nomura mit dem Androiden reden hören.
    »Alles wird gut, Kiko«, sagt er. »Ich vergebe dir, Kiko. Ich vergebe dir. Ich werde dich reparieren. Ich werde dich retten. Ich liebe dich, meine Prinzessin. Ich liebe dich. Ich liebe dich, mein Ein und Alles.«
    Ich schüttle den Kopf und begebe mich wieder an die Arbeit.

Takeo Nomura, in dem man im Nachhinein eins der großen technischen Genies seiner Zeit erkannte, machte sich sofort daran herauszufinden, warum seine geliebte Mikiko auf ihn losgegangen war. Die Entdeckungen, die der betagte Junggeselle im Laufe der folgenden drei Jahre machte, hatten große Auswirkungen auf den Verlauf des Neuen Krieges und veränderten sowohl den Gang der menschlichen Geschichte als auch den der Geschichte der Maschinen unwiderruflich.
Cormac Wallace MIL #GHA 217

IV.
Köpfe und Herzen
    »SIB Eins, hier spricht Specialist Paul Blanton.
Leg sofort die Waffe nieder und deaktivier dich.
Leiste Gehorsam, und zwar auf der Stelle!«
    Spc. Paul Blanton
    Vorläufervirus + 5 Monate
Dies ist das Protokoll einer Kongressanhörung zu einem ungewöhnlich blutigen Zwischenfall, an dem ein im Ausland eingesetzter amerikanischer Militärroboter beteiligt war. Die vermeintlich abhörsichere, zwischen Washington und der afghanischen Hauptstadt Kabul geschaltete Videokonferenz wurde in voller Länge von Archos mitgeschnitten. Ich halte es für einen recht erstaunlichen Zufall, dass es sich bei dem befragten Soldaten ausgerechnet um den Sohn von Officer Lonnie Blanton aus Oklahoma handelt. Beide Männer sollten im nahenden Krieg eine wichtige Rolle spielen.
Cormac Wallace MIL #GHA 217

    (Klopfen eines Hammers)

    Ordnung, bitte! Ich bin Kongressabgeordnete Laura Perez, Vorsitzende des für Militärfragen zuständigen Ausschusses des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, und ich werde diese nichtöffentliche Sitzung leiten. Heute Morgen beginnt der Ausschuss mit einer Untersuchung, die Auswirkungen auf die gesamten Streitkräfte haben könnte. Ein amerikanischer Sicherheits- und Befriedungsroboter, kurz SIB genannt, wird beschuldigt, bei einer Patrouille in Kabul – in Afghanistan – mehrere Menschen getötet zu haben.
    Ziel der Untersuchung ist, festzustellen, ob die militärischen Abteilungen und Personen, die an dem Vorfall beteiligt waren, die Attacke hätten voraussehen oder verhindern können.
    Wir haben heute Specialist Paul Blanton bei uns, der für die Beaufsichtigung des defekten Sicherheits- und Befriedungsroboters zuständig war. Specialist Blanton, wir möchten Sie bitten zu beschreiben, welche Aufgabe Sie an der Seite der SIB-Einheit erfüllen und wie sich der Zwischenfall aus Ihrer Sicht abgespielt hat.
    Die grauenvollen Taten dieser Maschine haben den Ruf der Vereinigten Staaten im Ausland schwer beschädigt. Bitte denken Sie stets daran, dass wir heute hier nur aus einem Grund zusammengekommen sind: um uns ein möglichst genaues Bild der Faktenlage in der Angelegenheit zu verschaffen, damit wir ähnliche Zwischenfälle in Zukunft um jeden Preis verhindern können.
    Ist Ihnen das klar, Specialist Blanton?

    Ja, Ma’am.

    Dann beginnen Sie bitte damit, uns Ihren Tätigkeitsbereich näher zu erläutern. Worin bestehen Ihre Aufgaben innerhalb der Einheit?

    Offiziell arbeite ich im Bereich »interkulturelle Vermittlung«. Aber im Grunde bin ich so was wie ein Roboterhirte. Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, die Arbeit der SIB-Geräte zu überwachen und den einheimischen Behörden als Ansprechpartner zu dienen. Wie der Roboter spreche ich Arabisch. Anders als er muss ich aber keine traditionelle afghanische Kleidung tragen, mich nicht mit den Einheimischen anfreunden und auch nicht in Richtung Mekka beten.
    SIBs sind