Robocalypse: Roman (German Edition)
schwer, amerikanische Soldaten zu töten, wenn man sie nie sieht, Ma’am.
Bleiben als halbwegs brauchbare Ziele allein die SIB-Roboter. Es sind die einzigen zweibeinigen Roboter im Arsenal der Vereinigten Staaten, und sie kämpfen nicht. Ich meine, Töten ist was für Spezialisten. Töten ist was für Landminen, mobile Gefechtsstationen, Drohnen und so weiter. Humanoide sind einfach nicht besonders gut darin. SIBs wurden gebaut, um zu kommunizieren. Das können wiederum Menschen am besten, verstehen Sie? Miteinander plaudern.
Aus diesem Grund tut SIB Eins nie jemandem weh. Das würde seiner Aufgabe widersprechen. Er soll Vertrauen schaffen. Er spricht die Sprache, trägt dieselbe Kleidung, zitiert die Gebete – er beherrscht all den Kram, den ein normaler menschlicher Infanterist nicht lernen will oder lernen kann. Nach einer Weile hören die Leute auf, ihn anzuspucken. Sie beachten ihn kaum noch. Oder sie fangen sogar an, ihn zu mögen, weil er zwar zur Polizei gehört, aber nie die Hand aufhält. An manchen Tagen berühren Sibbys Füße so gut wie nie den Boden, weil er ständig umsonst von Taxifahrern mitgenommen wird. Die Leute haben ihn gerne um sich, wie einen Glücksbringer.
Doch diese ganze wunderbare Sozialtechnik kann nicht ohne das Vertrauen funktionieren, das dadurch geschaffen wird, dass ein friedlicher Wächter die Straßen patrouilliert, der immer die Augen offen hat und nie etwas von dem vergisst, was er beobachtet. Es dauert lange, dieses Vertrauen aufzubauen.
Und deswegen tun die Aufständischen alles, um es zu untergraben.
Womit wir schließlich bei dem Zwischenfall wären …
Okay, sicher. Wie ich gesagt habe: Der SIB kämpft nicht. Er trägt keine Pistole, nicht mal ein Messer, aber wenn er jemanden am Weglaufen hindern will, packt er mit Metallfingern zu, aus denen man noch weniger rauskommt als aus Handschellen. Die Aufständischen wissen das. Deshalb versuchen sie ständig, ihn dazu zu bringen, jemanden zu verletzen. Ungefähr alle zwei Wochen lassen sie sich irgendeinen neuen Trick einfallen, um eine Fehlfunktion bei ihm auszulösen. Aber es gelingt ihnen nie. Nie.
Diesmal ist es ihnen aber offenbar gelungen.
Warten Sie, dazu komme ich gleich.
Normalerweise gehe ich nicht raus in die Stadt. Der SIB kommt alle paar Tage in die Grüne Zone gelaufen, und dann bringen wir ihn wieder auf Vordermann. Manchmal gehe ich mit einer der gepanzerten Einheiten raus und sammle Leute von der Liste ein, aber nie ohne schlagkräftige Verstärkung. Menschliche Verstärkung, verstehen Sie.
Die SIBs sind zahm wie Schmusekätzchen, aber unsere Truppen sind, nun ja, ziemlich furchteinflößend geworden, würde ich sagen. Die Leute begreifen recht schnell, dass ausschließlich die Menschen den Finger am Abzug haben, und mal ehrlich, im Vergleich mit Robotern sind wir unberechenbar. Den Einheimischen ist ein Roboter mit klaren Verhaltensregeln tausendmal lieber als ein neunzehnjähriger Teenager, der sein bisheriges Leben mit 3-D-Videospielen verbracht hat und jetzt plötzlich eine halbautomatische Waffe trägt.
Ich persönlich kann das gut nachvollziehen.
Wie dem auch sei, an diesem Tag passierte etwas Ungewöhnliches. Wir verloren den Funkkontakt zu dem SIB Eins. Als die Drohnen zu dem Wohnviertel flogen, in dem der Kontakt abgebrochen war, sahen wir den Roboter einfach nur reglos an einer Kreuzung stehen. Weder bewegte er sich, noch kommunizierte er weiterhin mit uns.
Das ist der gefährlichste Teil meines Jobs: Wenn ich defekte Roboter einsammeln muss, um sie zu reparieren.
Was war da los?
Das frage ich mich in dem Moment auch. Mein erster Schritt besteht deshalb darin, mir die letzten Minuten der Übertragung anzusehen. Doch ich erkenne nur ganz normales Überwachungsverhalten. Durch Sibbys Augen sehe ich die Kreuzung, wie er den steten Fluss der Autos vor sich beobachtet und wie er ununterbrochen Netzhautscans an sämtlichen Fahrern und Fußgängern durchführt, die in sein Sichtfeld geraten.
Die Aufnahmen sind ein bisschen seltsam, weil Sibby sämtliche physikalischen Daten mitnotiert. Es gibt Vermerke zur Geschwindigkeit der Autos, der Kraft, die sich daraus ergibt, und so weiter. Aber in diagnostischer Hinsicht scheint er einwandfrei zu funktionieren.
Dann taucht plötzlich ein Aufständischer auf.
Woran erkennen Sie den Aufständischen?
Ich erkenne ihn überhaupt nicht, aber Sibby tut es, an der Netzhaut. Handelt sich sogar um eine Zielperson von ziemlich hohem Wert. Die
Weitere Kostenlose Bücher