Robocalypse: Roman (German Edition)
anderem. Ich drehe den Kopf und erkenne, dass, ähm, sämtliche Soldaten, die eben noch mit mir in dem Transporter gesessen haben, tot sind. Der SIB hat nicht oft geschossen, aber jeder Schuss ist ein Treffer gewesen. Die drei Männer liegen auf ihren Rücken neben mir im Staub. Alle haben an irgendeiner Stelle ein Loch im Gesicht, und allen fehlt der Hinterkopf.
Ich kann ihre Gesichter nicht vergessen. Wie überrascht sie aussahen.
Wie von weit entfernt kommt mir der Gedanke, dass ich jetzt ganz auf mich allein gestellt bin und mich in einer ziemlich üblen Lage befinde.
Und da höre ich schon wieder die Kalaschnikow feuern – wie zuvor nur einzelne Schüsse. Vorsichtig spähe ich unter dem MTW hindurch und sehe, dass der Mistkerl immer noch mitten auf der Straße steht, als wären wir in einem Western. Um ihn herum ist der Boden mit Stofffetzen, Keramiksplittern und Plastiktrümmern bedeckt.
Ich begreife, dass er auf die Zivilisten schießt, die von den Fenstern aus die Straße beobachten. Über den Knopf in meinem Ohr höre ich, dass Verstärkung unterwegs ist. Am Himmel schweben ja schließlich die Drohnen. Trotzdem zucke ich bei jedem Schuss zusammen, weil ich weiß, dass jeder einen Menschen tötet.
Sonst würde der SIB nicht abdrücken.
Mit einem Mal fällt mir etwas Wichtiges auf: Die Kalaschnikow ist eine wesentlich empfindlichere Maschine als der Roboter. Deshalb sollte ich besser darauf zielen. Mit zitternden Fingern klappe ich das Zielfernrohr an meinem Sturmgewehr hoch und schalte den Sicherungshebel auf Dreischussautomatik. Normalerweise verschwendet man mit der Einstellung nur Munition. Aber ich muss unbedingt diese Kalaschnikow zertrümmern, und mehr als diese eine Chance werde ich dazu kaum kriegen. Ganz vorsichtig schiebe ich den Lauf um den Kühler des MTW herum.
Der Roboter sieht mich nicht.
Ich ziele, atme ein, halte die Luft an und drücke ab.
Das Gewehr explodiert dem Roboter praktisch in den Händen. Mit rechnendem Prozessor blickt er eine Sekunde auf seine leeren Metallfinger. Dann tapst er in Richtung der nächsten Gasse davon.
Aber ich habe ihn immer noch im Visier. Als Nächstes ziele ich auf die Kniegelenke. Ich weiß, dass die Schutzwesten knapp unter dem Schritt enden – so ein Genitalschutz nutzt einem Roboter ja ohnehin nicht allzu viel. Ich habe schon so viele SIBs wieder zusammengeflickt, dass ich jeden ihrer Schwachpunkte kenne.
Wie ich bereits sagte: Zweibeinige Geräte sind für den Krieg nicht sonderlich geeignet.
Der SIB fällt mit zerschmetterten Knien vornüber. Ich verlasse die Deckung und gehe auf ihn zu. Mühsam dreht er sich auf den Rücken, setzt sich auf und fängt an, sich mit den Armen weiter in Richtung Gasse zu ziehen. Dabei lässt er mich die ganze Zeit über keine Sekunde aus den Augen.
Endlich höre ich Sirenen. Einige Neugierige wagen sich vorsichtig auf die Straße, tuscheln auf Dari miteinander. Der SIB Eins zieht sich weiter wie ein Ruderer über den Asphalt.
Zu dem Zeitpunkt dachte ich, die Lage sei wieder unter Kontrolle.
Diese Annahme stellte sich als falsch heraus.
Was als Nächstes passiert ist, war technisch gesehen mein Fehler. Aber ich bin nun mal kein abgebrühter Frontsoldat, okay? Habe ich nie behauptet. Ich bin interkultureller Vermittler. Ich bin für Gespräche zuständig, nicht für Schusswechsel. Ich komm ja kaum aus dem Lager heraus.
Das haben wir verstanden. Wie ging die Sache weiter?
Also gut, lassen Sie mich mal nachdenken. Ich weiß noch, dass mir die Sonne direkt im Rücken stand, denn vor mir sah ich meinen langen schwarzen Schatten, der bis auf die zertrümmerten Beine des SIB Eins fiel. Er saß gegen eine Hauswand gelehnt und konnte nirgends mehr hin.
Schließlich stand ich so dicht vor ihm, dass mein Schatten auch sein Gesicht bedeckte. Mit den Augen schien er mich immer noch aufmerksam zu beobachten, doch der Rest seines Körpers war vollkommen still. Zur Sicherheit hielt ich weiterhin die Waffe auf ihn gerichtet. Um uns herum versammelten sich Schaulustige. Das war’s, dachte ich. Es ist vorbei.
Ich wollte meine Verstärkung anfunken. Natürlich müssten wir den Roboter ins Lager bringen, um ihn zu untersuchen und herauszufinden, was mit ihm los war. Ich nahm die linke Hand vom Lauf meiner Waffe und führte sie zu meinem Ohrstöpsel. Genau in dem Moment sprang mich der Roboter an. Ich drückte den Abzug und feuerte drei Schüsse in die Hauswand.
Es ging alles unheimlich schnell.
Ich kann mich nur noch
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