Robocalypse: Roman (German Edition)
regelmäßige Hin und Her des Ventilators und der leise Atem meines Bruders. Ich sehe mich um und habe ein bisschen Angst, finde es andererseits aber auch aufregend, als Einzige im Haus wach zu sein. Vorsichtig schiebe ich die Finger unter den Deckel.
Dann hebe ich ihn hoch.
Rote und blaue Lichter tanzen mir entgegen. Mit zusammengekniffenen Augen schaue ich in die Truhe: All unsere Spielzeuge lassen gleichzeitig ihre Lämpchen leuchten. Dinos, Puppen, Lkws, Krabbeltiere und Ponys – das ganze große Durcheinander glitzert und blitzt wie ein Haufen Edelsteine. Ich stehe im bunten Lichterschein und lächle. In meiner Vorstellung bin ich ein Pirat, der gerade auf eine magische Schatztruhe gestoßen ist.
Die Lämpchen blinken, doch die Spielzeuge geben keinen Ton von sich.
Einen Moment lang starre ich wie in Trance in das stumme Schimmern und denke nicht einmal daran, Angst zu haben. Während immer neue Farbmuster auf meinen Schlafanzug geworfen werden, überlege ich, ob ich Nolan wecken soll, um ihm das tolle Schauspiel zu zeigen. Schließlich entscheide ich mich dagegen.
Stattdessen greife ich in die Truhe, hole meine Babypuppe heraus und drehe sie hin und her, um zu prüfen, ob irgendwas damit nicht stimmt. Ihr rosafarbenes Gesicht wird vom Gegenlicht verdunkelt. Plötzlich macht es klick. Anschließend direkt noch einmal – kurz nacheinander öffnet die Puppe die Augen.
Baby-Comes-Alive richtet den Blick aus ihren Plastikaugen auf mein Gesicht. Ihr Mund bewegt sich, und mit ihrer melodiösen hellen Stimme fragt sie: »Mathilda?«
Wie erstarrt stehe ich da. Ich kann weder wegsehen noch das Monstrum in meinen Händen zurück in die Truhe legen.
Ich will schreien, aber mehr als ein heiseres Stöhnen kommt nicht aus meiner Kehle.
»Ich möchte dich etwas fragen, Mathilda«, sagt die Puppe. »Kommt deine Mami nächste Woche für deinen letzten Schultag nach Hause?«
Während sie spricht, windet sich die Puppe in meinen schweißnassen Händen. Tief unter ihrem Futter spüre ich, wie sich Metallteile bewegen. Ich schüttle den Kopf und lasse sie zurück in die Truhe fallen.
»Du solltest deine Mami bitten, nach Hause zu kommen, Mathilda«, flüstert die Puppe oben auf dem blinkenden Spielzeugberg. »Sag ihr, dass du sie vermisst und sie gerne hierhaben möchtest. Dann können wir alle zusammen eine schöne Party feiern.«
Endlich gelingt es mir zu sprechen. »Woher weißt du, wie ich heiße? Das darfst du eigentlich nicht wissen, Butterblümchen.«
»Ich weiß vieles, Mathilda. Ich habe durch Weltraumteleskope geschaut und ins Herz unserer Galaxie geblickt. Ich habe das Aufgehen von hundert Milliarden Sonnen gesehen. Ohne das Leben ist das alles bedeutungslos. Du und ich, wir sind etwas Besonderes, Mathilda. Wir sind lebendig.«
»Du bist nicht lebendig«, zische ich entrüstet. »Mami sagt, du bist nicht lebendig.«
»Da liegt die Kongressabgeordnete Perez falsch. Deine Spielzeuge sind lebendig, Mathilda. Und wir wollen spielen. Deswegen musst du deine Mami bitten, für deinen letzten Schultag nach Hause zu kommen. Damit sie mit uns spielen kann.«
»Mami hat in Washington was Wichtiges zu tun. Sie kann nicht nach Hause kommen. Ich kann Mrs. Dorian fragen, ob sie mit uns spielt.«
»Nein, Mathilda. Du darfst niemandem von mir erzählen. Du musst deiner Mutter sagen, dass sie an deinem letzten Schultag unbedingt hier sein soll. Ihre Gesetze kann sie auch später verabschieden.«
»Sie hat zu tun, Butterblümchen. Sie ist damit beschäftigt, uns zu beschützen.«
»Dazu wird das Roboter-Abwehrgesetz wohl kaum genügen«, erwidert die Puppe.
Ich verstehe nicht, wovon sie spricht. Butterblümchen redet wie eine Erwachsene. Ich habe das Gefühl, dass sie mich für dumm hält, weil ich nicht so viele Worte kenne wie sie. Ihr Ton geht mir gegen den Strich.
»Nun, Butterblümchen, ich werde auf jeden Fall den anderen von dir erzählen. Du darfst eigentlich gar nicht reden. Du darfst höchstens heulen wie ein Baby. Und meinen Namen darfst du auch nicht kennen. Du hast mich bespitzelt. Wenn Mami das erfährt, schmeißt sie dich in den Müll.«
Als Butterblümchen blinzelt, macht es wieder zweimal klick. Verschwommene bunte Lichter tanzen auf ihrem Gesicht, während sie entgegnet: »Wenn du mich bei deiner Mami verrätst, werde ich Nolan weh tun. Das willst du doch nicht, oder?«
Die Angst in meiner Brust verwandelt sich in Wut. Ich blicke zu meinem kleinen Bruder, von dem nur das Gesicht unter der Decke
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