Robocalypse: Roman (German Edition)
aber ich hoffe, du freust dich trotzdem.
Heute haben wir den ersten November. Wie ich dir schon erzählt habe, wird die Probebohrung im westlichen Teil Alaskas stattfinden. Bin heute Morgen hier angekommen. Angeheuert wurde ich vor zwei Wochen von einem gewissen Mr. Black, der für die Novus GmbH arbeitet – das weißt du ja. Aber vermutlich fragst du dich, was zum Geier wir hier draußen genau vorhaben.
Nun, wenn du so lieb fragst, Lucy … Unsere Aufgabe besteht darin, ein eintausendfünfhundert Meter tiefes Loch für eine Sonde zur Grundwasserüberwachung zu bohren. Damit später die Sonde reinpasst, muss das Loch ungefähr einen Meter Durchmesser haben, also ungefähr die Größe eines Gullydeckels. Ist schon eine ziemlich tiefe Bohrung, aber die Bohranlage, mit der wir arbeiten, ist für noch viel größere Tiefen ausgelegt. Sollte daher eigentlich ein Routinejob werden, wenn man mal absieht von der Kälte, von dem Wind und von der extremen Abgeschiedenheit. Irgendwo im ewigen Eis bohren wir ein Loch, das so tief wie der Grand Canyon ist – ein seltsamer Beruf, den ich da habe, nicht wahr, mein Liebling?
Der Flug hierher war kein Vergnügen. Wir wurden in einem riesigen alten Sikorsky-Transporthubschrauber rausgebracht. Geleitet wird das Projekt von einer Firma aus Norwegen. Von deren Mitarbeitern kann keiner auch nur eine einzige Silbe Englisch. Ich mag ja nur ein blöder texanischer Cowboy sein, aber selbst ich kann mich mit den Filipinos auf Spanisch unterhalten, und ein paar Fetzen Russisch und Deutsch spreche ich auch. Selbst Kanadisch verstehe ich ab und zu. (LACHT) Aber diese Norweger – wirklich eine Schande, Lucy.
Gestartet sind wir von unserer Basis in Deadhorse, ich und siebzehn andere. Der Wind war so stark, dass wir’s beinah nicht geschafft hätten. Internationale Standardatmosphäre plus zehn, dazu Böen in Sturmstärke. Eben schaue ich noch aus dem Fenster, betrachte die blau schimmernde Einöde unter mir und frag mich, ob es unseren Zielort überhaupt wirklich gibt. Da geht’s auch schon senkrecht abwärts wie in der Achterbahn, und wir landen auf einer windumtosten kleinen Ebene.
Ich will ja nicht übertreiben, Schatz, aber diese Bohrstelle liegt echt unheimlich weitab vom Schuss, selbst für eine Probebohrung. Hier draußen gibt’s einfach gar nichts. Professionell betrachtet, wird dadurch das Projekt natürlich nur ein bisschen aufwendiger und – für mich jedenfalls – lukrativer. Trotzdem müsste ich lügen, wenn ich behaupten wollte, ich sei bei der ganzen Sache nicht ein klein wenig nervös. Ist schlichtweg ein extrem ungewöhnlicher Ort für ein Kontrollloch dieser Art.
Aber hey, ich bin ja nur eine alte Wühlratte – solange die Kasse stimmt, ist mir egal, wo ich meine Löcher grabe.
***
Hi, Lucy, hier ist wieder Dwight. Heute ist der dritte November. War damit beschäftigt, das Lager aufzubauen und in Betrieb zu nehmen. Jetzt ist das Gelände geräumt, und das Camp steht so weit: Schlafcontainer, Kantine, Krankenstation, Kommunikationszentrale etc. Die Arbeit hat sich gelohnt. Endlich bin ich aus dem wackligen Zelt raus und kann in einer halbwegs gemütlichen Koje schlafen. Außerdem war ich gerade in der Kantine, und eins muss man North Star wirklich lassen: Das Essen ist ausgezeichnet. Die wissen schon, wie man die Leute bei Laune hält. (LACHT) Die Generatoren laufen ebenfalls, also hab ich’s schön warm hier drin. Ist auch gut so, denn draußen liegt die Temperatur bei etwa minus vierzig Grad. Meine Schicht beginnt morgen in aller Früh, daher sollte ich bald in die Heia gehen – du kennst das ja.
Viel länger als einen Monat wird die ganze Operation wohl nicht dauern. Ich werde die Frühschicht von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends übernehmen und die Nächte hier im Schlafcontainer verbringen. War früher mal ein Schiffscontainer, unterm Schnee kann man noch das ausgeblichene Orange vom Lack erkennen. Wir mussten den alten Kasten über den gesamten North Slope wuchten, um ihn herzukriegen, aber nach den zwei Nächten im Zelt kommt er mir vor wie ein Palast. (LACHT)
Heute Morgen habe ich mir zum ersten Mal die Bohrstelle genauer angesehen. Die GPS-Angaben führen zu einer etwa zwanzig Meter breiten, trichterförmigen Senke. Sieht aus wie eine große Delle im Schnee, nur ein paar Schritte vom Lager entfernt. Ich fand’s ein bisschen gruselig, da draußen auf diese von Menschenhand geschaffene Grube zu stoßen, die aussieht, als hätte jemand
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