Robocalypse: Roman (German Edition)
spielen Musik und vibrieren laut in Hand-, Jacken- und Hosentaschen. Die Leute bleiben stehen und wundern sich lächelnd über die seltsame Kakophonie, die da mit einem Mal die Luft erfüllt.
»Hallo?«, fragen ein Dutzend Leute gleichzeitig.
Der Teenager steht wie erstarrt da und zieht den Kopf in seine Kapuze zurück wie eine Schildkröte in ihren Panzer. Die große Frau wedelt mit ihrem Handy in der Luft und fragt mit lauter Stimme: »Entschuldigung. Heißt hier jemand Lurker? «
Der Teenager löst sich von der Wand und eilt den Bürgersteig entlang. Überall um ihn herum bimmelt und dudelt es, als laufe er durch eine vollbesetzte Spielhalle. Während ihm die beweglichen Überwachungskameras mit ihren wachsamen Blicken folgen, drängt er sich durch die verblüffte Menge. Keuchend rennt er um die Ecke, kramt mit zitternden Fingern einen Schlüssel hervor und verschwindet in der Tür zu seinem Mietshaus.
***
Erneut zeigt die Webcam das unaufgeräumte Schlafzimmer. Der pummelige Jugendliche geht auf und ab, öffnet und schließt dabei nervös die Hände. Ständig wiederholt er dasselbe Wort. Das Wort lautet »unmöglich«.
Auf seinem Schreibtisch klingelt wieder und wieder das Handy. Schließlich hält der Teenager inne und starrt das rotierende Plastikrechteck einen Moment lang an. Nachdem er tief Luft geholt hat, streckt er die Hand danach aus. Vorsichtig nimmt er das Handy vom Tisch, als könnte es jeden Augenblick explodieren.
Mit dem Daumen drückt er die Annahmetaste und fragt ängstlich: »Hallo?«
Am anderen Ende ist ein kleiner Junge zu hören, doch etwas an seiner Stimme wirkt äußerst seltsam. Sie klingt hohl und körperlos, und die einzelnen Worte sind einen Tick zu klar voneinander getrennt. Der Teenager hat gute Ohren für solche Feinheiten und nimmt sie zehnmal deutlicher wahr als jeder andere.
Vielleicht bringt ihn deshalb der Klang der Stimme zum Zittern. Weil er sie im Gegensatz zu vielen anderen nur eine Sekunde hören muss, um sicher zu sein, dass sie nicht zu einem Menschen gehört.
»Hallo, Lurker«, sagt die kindliche Stimme. »Wie hast du mich gefunden?«
»Ich … Habe ich nicht. Der Typ, den ich erreichen wollte, ist tot.«
»Warum hast du bei Professor Nicholas Wasserman angerufen?«
»Du steckst in den Systemen, nicht wahr? Hast du die ganzen Handys zum Klingeln gebracht? Wie ist das möglich?«
»Warum hast du Nicholas Wasserman angerufen?«
»Das war ein Versehen. Ich dachte, du würdest mir meine Streiche versauen. Bist du, ähm, bist du ein Phreak? Gehörst du zu den Witwenmachern?«
Kurze Stille am anderen Ende.
»Du hast keine Ahnung, mit wem du sprichst.«
»Hey, das ist geklaut«, flüstert der Teenager. »Das sage ich sonst immer.«
»Du wohnst in London. Bei deiner Mutter.«
»Sie ist auf der Arbeit.«
»Du hättest mich nicht finden dürfen.«
»Dein Geheimnis ist bei mir sicher, Kumpel. Arbeitest du in diesem Novus-Labor?«
»Sag du es mir.«
»Klar arbeitest du da.«
Der Jugendliche tippt hektisch auf seiner Computertastatur herum, hält dann inne.
»Ich sehe dich nicht. Nur einen Computer. Warte mal. Oh, Gott.«
»Du hättest mich nicht finden dürfen.«
»Hör mal, tut mir leid. Lass uns einfach so tun, als sei das alles …«
»Lurker?«, fragt die kindliche Stimme.
»Ja?«
»Bis dann und wann, mein Freund.«
Klick.
Zwei Stunden später verließ Lurker die Wohnung, ohne seiner Mutter Bescheid zu sagen, wohin – oder auch nur noch mal mit ihr zu sprechen. Er kehrte nie zurück.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
VIII.
Das Bohrloch
»Wir hetzen uns nicht und geben bei der Arbeit
gut acht, wie immer. Unsere Sicherheitsprämie
lassen wir uns nicht entgehen.«
Dwight Bowie
Vorläufervirus + 1 Jahr
Das nun folgende mündliche Tagebuch wurde auf ein digitales Diktiergerät gesprochen. Offenbar nahm Dwight Bowie es für seine Frau auf. Leider hat es sie jedoch nie erreicht. Wären die darin enthaltenen Informationen früher ans Licht gekommen, hätte der Tod unzähliger Menschen verhindert werden können.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
H i, Lucy, hier ist Dwight. Heute trete ich also offiziell meinen Job als Leiter der Bohrmannschaft – du weißt schon: Mr. Oberboss – bei der North Star Frontier Drilling Company an, und ich möchte dich gerne auf dem Laufenden halten, wie’s mir dabei ergeht. Das Kommunikationssystem steht noch nicht, doch sobald es so weit ist, werde ich dir das hier schicken. Könnte noch ein Weilchen dauern, mein Schatz,
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