Robocalypse: Roman (German Edition)
reden. Wir treffen uns am
Indianapolis Motor Speedway. Ich muss auflegen.«
Marcelo Perez
Stunde null
Dieser Bericht stützt sich auf verschiedene Quellen: auf die Aufnahmen einer Kamera zur Straßenüberwachung, auf Gesprächsmitschnitte aus einem Zwangsarbeitslager sowie auf die Erinnerungen einiger der dort festgehaltenen Menschen. Die inhaftierte Kongressabgeordnete Laura Perez, Mutter von Mathilda und Nolan Perez, wusste nicht, was für eine entscheidende Rolle sie und ihre Familie im nahenden Konflikt spielen würden – oder dass drei Jahre später ihre Tochter sowohl mein Leben als auch das meiner Kameraden retten würde.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
B eeil dich, Nolan!«, ruft Mathilda mit der Karte in der Hand und rückt schnell ins warme Wageninnere zurück.
Der siebenjährige Nolan steht am Straßenrand, und das Licht der Morgensonne zeichnet seine zierliche Silhouette auf den Asphalt. Während er sich angestrengt darauf konzentriert zu pinkeln, schwankt er leicht hin und her. Endlich steigt feiner Dampf von einer Pfütze im Staub auf.
Es ist ein feuchter, kalter Morgen hier auf dieser verlassenen zweispurigen Landstraße mitten in Ohio. Überall um uns herum stumme braune Hügel, die sich bis zum Horizont erstrecken. Mein Oldtimer keucht und hustet helle Auspuffwolken auf die vom Tau dunkle Straße. Irgendwo in weiter Ferne kreischt ein Greifvogel.
»Siehst du, Mami. Ich habe dir gesagt, wir sollten ihm keinen Apfelsaft geben.«
»Mathilda, sei nett zu deinem Bruder. Er ist der einzige, den du jemals haben wirst.«
Ein typischer Mamispruch, den ich schon tausendmal gesagt habe. Doch an diesem Morgen merke ich, wie ich die davon ausgehende Normalität genieße. Wenn man sich in einer nicht alltäglichen Situation befindet, lernt man das Alltägliche wieder zu schätzen.
Nolan ist fertig. Statt sich jedoch nach hinten zu setzen, klettert er vorne bei seiner Schwester auf den Schoß. Mathilda verdreht die Augen, sagt aber nichts. Sie weiß, dass ihr kleiner Bruder Angst hat, und er wiegt ja auch nicht viel.
»Hast du den Reißverschluss zugemacht, kleiner Mann?«, frage ich aus Gewohnheit. Dann fällt mir wieder ein, wo ich bin und was los ist – oder was bald los sein wird. Vielleicht jedenfalls.
Rasch werfe ich einen Blick in den Rückspiegel. Noch nichts.
»Können wir jetzt endlich weiterfahren, Mom?«, drängt Mathilda. Sie breitet die Karte vor sich aus und betrachtet sie konzentriert, wie eine kleine Erwachsene. »Schließlich haben wir noch ungefähr fünfhundert Meilen vor uns.«
»Ich möchte zu Grandpa«, quengelt Nolan.
»Okay, okay«, erwidere ich. »Dann machen wir uns mal wieder auf den Weg. Und keine Pinkelpausen mehr. Bis zu Grandpas Haus wird nicht mehr angehalten.«
Ich trete aufs Gas. Ein Ruck geht durch den Wagen, und hinten stoßen klirrend die Wasserbehälter, Lebensmittelkartons und die Campingausrüstung gegeneinander. Unter meinem Sitz liegt eine schwarze Kunststoffbox mit einer in grauen Schaumstoff gebetteten Glock 17 darin. Die Waffe wurde noch kein einziges Mal abgefeuert.
Im Laufe des letzten Jahres hat sich unsere Welt verändert. Unsere Technologie hat angefangen, verrücktzuspielen. Zwischenfälle. Langsam, aber sicher haben sich die Zwischenfälle gehäuft. Im Transportwesen, im Kommunikationsbereich, auf dem Militärsektor. Mehr und mehr hatte ich das Gefühl, die Welt sei innen hohl und könnte jeden Moment in sich zusammenfallen.
Dann erzählte mir Mathilda von der Sache mit ihrer Puppe. Sie erzählte mir von ihrer Baby-Comes-Alive-Puppe und wiederholte dabei einen Begriff, den sie eigentlich unmöglich kennen konnte: Roboter-Abwehrgesetz.
Als sie das sagte und mir dabei in die Augen sah, wusste ich, was los war.
Jetzt bin ich auf der Flucht. Ich bin auf der Flucht, weil ich um das Leben meiner Kinder fürchte. Technisch gesehen ist das hier eine Art Sonderurlaub, denn eigentlich müsste ich im Kongress sein. Vielleicht habe ich den Verstand verloren. Das kann ich nur hoffen. Denn ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass etwas Besitz von unserer Technologie ergriffen hat. Etwas Böses.
Heute ist Thanksgiving.
***
Das Fahrgeräusch des Wagens ist sehr laut. Viel lauter als bei jedem anderen Auto, das ich jemals gefahren habe. Kaum zu glauben, aber die Kinder schlafen tatsächlich. Ich kann die Reifen über den Asphalt rollen hören. Ihr Vibrieren überträgt sich bis ins Lenkrad, und ich kann es in meinen Fingern spüren. Trete ich auf die
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