Robocalypse: Roman (German Edition)
Bremse, werden über einen Hebel Bremsblöcke an die Reifen gedrückt. Selbst die Knöpfe und Schalter auf dem Armaturenbrett machen einen soliden, altmodischen Eindruck.
Modern ist an dem Wagen allein das Satellitenradio. Ich habe das glatte, durchgestylte Gerät auf einen Sender mit Popmusik gestellt, die mich ein wenig von der einschläfernden Monotonie des Fahrgeräuschs ablenkt.
Ich bin es nicht gewohnt, dass die Technik so hohe Anforderungen an mich stellt. Wenn ich bisher überhaupt irgendwelche Schalter und Hebel betätigen musste, dann verlangte das nie ein solches Maß an Kraft und Konzentration. Ein leichter Fingerdruck genügte, und meine Absichten wurden an die hinter den Schaltern verborgene Hochtechnologie weitergegeben. Diese bescheuerte alte Karre hingegen zwingt mich nicht nur, auf die Straße zu achten, sondern auch ständig irgendwas mit meinen Händen und Füßen zu machen. Der Wagen bürdet die anstrengende Tätigkeit des Autofahrens praktisch ganz allein mir auf und übernimmt keinerlei Verantwortung. Er überlässt mir die vollkommene Kontrolle.
Was ich hasse. Ich will keine Kontrolle. Ich will einfach nur mein Fahrtziel erreichen.
Aber das war der einzige Wagen, den ich finden konnte, in den kein Chip für Inter-Fahrzeug-Kommunikation eingebaut war. Der Einbau von IFK-Chips ist seit mehr als zehn Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Sie sind genauso Pflicht wie Sitzgurte, Airbags und niedrige Emissionswerte. Über die Chips können die Autos sozusagen miteinander reden und auf diese Weise Unfälle verhindern oder zumindest den dabei entstehenden Schaden minimieren. Zunächst gab es ein paar Pannen. Ein Hersteller musste zum Beispiel mehrere Millionen Autos zurückrufen, weil der Chip darin die Fahrzeugposition stets einen Meter zu weit vorne veranschlagte. Das veranlasste andere Autos zu unnötigen Ausweichmanövern – die manchmal an Bäumen endeten. Langfristig haben die Chips jedoch für einen enormen Rückgang von Verkehrsunfällen gesorgt.
Neue Autos gibt es nicht mehr ohne IFK-Chip, und für alte wurde irgendwann die Aufrüstung zur Pflicht. Ausnahmegenehmigungen gab es nur für ganz alte Fahrzeuge wie dieses, bei denen eine Aufrüstung technisch nicht möglich ist.
Die meisten Leute denken, man muss verrückt sein, wenn man einen solchen Wagen fährt, besonders mit Kindern an Bord. Ich versuche, mich davon nicht beunruhigen zu lassen, während ich den Blick unverwandt auf die Straße gerichtet halte und mir vorstelle, wie früher alle Leute so am Steuer saßen.
Nach und nach beschleicht mich jedoch ein ungutes Gefühl, und ich merke, wie sich mein Rücken immer mehr verspannt. Als würde ich auf etwas warten. Aber worauf nur? Irgendwas ist anders. Irgendwas ist nicht mehr wie vorher, und das macht mir Angst.
Ich kann es nicht beim Namen nennen. Die Straße ist leer. Auf beiden Seiten des staubigen Asphalts ziehen niedrige Sträucher vorbei. Die Kinder schlafen. Das Fahrgeräusch ist dasselbe.
Das Radio.
Ich habe dieses Lied schon mal gehört. Gerade erst vor zwanzig Minuten. Am Lenkrad verkrampfen sich meine Hände, doch ich achte weiter auf die Straße. Auch das nächste Lied habe ich eben erst gehört. Und das danach auch. Nach fünfzehn Minuten fängt wieder das erste Lied an. Ohne hinzusehen, schalte ich das Radio aus, drücke blind mit den Fingern darauf herum.
Stille.
Reifenrollen.
Motorrauschen.
Muss ein Zufall gewesen sein. In ein paar Stunden erreichen wir das Haus meines Vaters. Er lebt auf dem Land, zwanzig Meilen außerhalb von Macon. Der Mann ist durch und durch technophob. Hat nie ein Handy besessen und fährt eine genauso alte Karre wie diese hier. Allerdings besitzt er jede Menge Radios, früher hat er sich ständig irgendwelche Bausätze gekauft. Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, liegt weit draußen, im leeren, sicheren Nirgendwo.
Mein Handy klingelt.
Ich fische es aus meiner Handtasche und schaue auf die Nummer. Wenn man vom Teufel spricht.
»Dad?«
»Laura, hier spricht dein Vater. Es ist etwas Schlimmes passiert. Ich kann nicht reden. Wir treffen uns am Indianapolis Motor Speedway. Ich muss auflegen.«
Und weg ist das Gespräch. Wie bitte?
»War das Grandpa?«, fragt Mathilda gähnend.
»Ja, Liebling.«
»Was hat er gesagt?«
»Unsere Pläne haben sich geändert. Er will, dass wir uns jetzt doch woanders mit ihm treffen.«
»Wo?«
»In Indianapolis.«
»Und warum?«
»Keine Ahnung, Schatz.«
Ich nehme ein Flackern im Rückspiegel
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