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Robocalypse: Roman (German Edition)

Robocalypse: Roman (German Edition)

Titel: Robocalypse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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hochsehe, erblicke ich eine Gestalt, die gerade die kleine Küche des Ladens verlässt. Im dunklen Gang dahinter bleibt sie stehen und dreht sich zu mir um. Mein Herz stockt, als ich das teuflische Grinsen auf dem runden Plastikgesicht erkenne. Die Maschine hält etwas in ihrer dreigliedrigen Hand: einen kleinen, aus Papier gefalteten Kranich.
    Da verstummt die Trommel plötzlich.
    Mein Herz schlägt keine zwanzig Mal, und die Trance fällt von mir ab. Ich öffne die Augen. Nur Hank und ich sind noch übrig. Vor meinem Gesicht steigen weiße Atemwolken auf. Meine Gelenke fühlen sich an wie eingerostet. Reif bedeckt meine fransigen Ärmel. Mein Körper fühlt sich an, als sei ich eben aufgewacht, doch im Kopf bin ich nie eingeschlafen.
    Ein rosa Schimmer zieht sich über den östlichen Himmel. Das Feuer brennt immer noch lichterloh. Um mich herum liegen überall die schlafenden Mitglieder meines Stammes. Hank und ich müssen ewig getanzt haben, wie Roboter.
    Dann sehe ich John Tenkiller. Still wie ein Stock steht er da. Ganz langsam hebt er die Hand und zeigt Richtung Morgengrauen.
    Dort in der Dämmerung steht ein Mann mit blutigem Gesicht. Seine Stirn steckt voller winziger Scherben. Glitzernd reflektieren sie das Licht der Flammen, während er wankend vor uns steht. Seine Hose ist nass und sieht aus, als sei er darin stundenlang durch den Wald gerobbt. Im linken Arm trägt er ein zwei oder drei Jahre altes Mädchen, das sein Gesicht schlafend in seiner Achsel verbirgt. Vor ihm steht ein etwa zehnjähriger Junge, der erschöpft zu Boden blickt. Mit seiner starken Rechten hält sich der Mann an der knochigen Schulter seines Sohnes fest.
    Die Frau des Mannes ist nirgendwo zu sehen – nur er und seine Kinder sind bis hierher durchgekommen.
    Der Drumkeeper, Hank und ich betrachten den Mann neugierig. Unsere Gesichter sind mit Lehm beschmiert, und wir stecken in Kleidern, die man das letzte Mal zur Zeit des Wilden Westens getragen hat. Der Typ muss denken, er sei irgendwo auf dem Weg hierher durch ein Loch in der Zeit gefallen.
    Doch der Weiße starrt uns nur apathisch an. Offensichtlich hat er einiges durchgemacht.
    In dem Moment hebt der Junge das Gesicht. Seine kleinen runden Augen haben einen verstörten Ausdruck, und über seine blasse Stirn zieht sich ein rostbrauner Streifen getrockneten Blutes. Es gibt keinen Zweifel, was für ein Zeichen der Junge da trägt: Es ist das Feuer von tsi-zhu. Hank und ich sehen uns an, als würde ein Gespenst vor uns stehen.
    Die Stirn des Jungen wurde bemalt, aber nicht von unserem Drumkeeper.
    Überall um uns wachen die Schlafenden auf und zeigen murmelnd auf die unheimliche Erscheinung.
    Gleich darauf hebt der Drumkeeper zu einem tiefen Singsang an: »Fürwahr, lasse den himmlischen Widerschein dieses Feuers die Leiber unserer Krieger in tiefes Rot tauchen. Und wahrhaftig, zu jener Zeit und an jenem Ort begab es sich, dass die Leiber des Volkes der Wha-zha-zhe die rote Farbe des Feuers annahmen. Und Flammen loderten von ihnen auf, und das Himmelszelt selbst überzog sich mit purpurnem Morgenlicht.«
    »Amen«, murmelt die Menge.
    Der Weiße nimmt die Hand von der Schulter des Jungen, und darunter kommt ein glänzender roter Abdruck zum Vorschein. Flehend hält er uns die blutverschmierte Handfläche entgegen.
    »Bitte helft uns«, flüstert er. »Bitte. Sie kommen.«

Während des Neuen Krieges hat das Volk der Osage keinen einzigen Überlebenden abgewiesen, der bei ihm Zuflucht suchte. So wuchs Gray Horse zu einem wahren Bollwerk menschlichen Widerstands an. Bald gingen Legenden um die Welt, die von der Existenz einer überlebenden menschlichen Zivilisation mitten in Amerika erzählten und von einem unnachgiebigen Cowboy, welcher der Rasse der Roboter offen ins Gesicht spuckte.
Cormac Wallace MIL #GHA 217

V.
Zweiundzwanzig Sekunden
    »Alles denkt.
Lampen denken. Tische denken.
Roboter denken.«
    Takeo Nomura
    Stunde null
Auch wenn es schwer zu glauben ist: Zu diesem Zeitpunkt lebte Takeo Nomura als einfacher alter Junggeselle im Adachi-Bezirk von Tokio. Seine Schilderungen über jenen Tag stammen aus einem Interview. Die Aufzeichnungen des vollautomatisierten Seniorenstifts, in dem er wohnte, sowie der dort tätigen Hausroboter bestätigen seine Angaben. An diesem Tag nahm ein geistiger Schaffensprozess seinen Anfang, der letztendlich zur Befreiung Tokios und vieler anderer Regionen führte.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
    D as Geräusch klingt seltsam. Es ist sehr leise, kehrt

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