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Robocalypse: Roman (German Edition)

Robocalypse: Roman (German Edition)

Titel: Robocalypse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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aber in regelmäßigen Abständen wieder. Ich messe die Abstände mit der Taschenuhr, die im gelben Lampenschein auf meiner Werkbank liegt. Eine Weile ist es vollkommen still, und man hört nur das geduldige Ticken des Sekundenzeigers.
    Was für ein hübsches Geräusch.
    Nur der Schein der Lampe erhellt die Dunkelheit. Das Verwaltungshirn des Gebäudes löscht jeden Abend um zehn in sämtlichen Wohnungen das Deckenlicht. Jetzt haben wir drei Uhr morgens. Ich berühre die Wand. Genau zweiundzwanzig Sekunden später höre ich ein leises Dröhnen. Es lässt die dünne Wand erzittern.
    Zweiundzwanzig Sekunden.
    Mikiko liegt rücklings auf meiner Werkbank, die Augen geschlossen. Ich habe den Schaden in der Schläfenregion ihres Kopfes repariert. Eigentlich könnte ich sie wieder anschalten, aber ich traue mich nicht recht. Ich weiß nicht, wie sie sich verhalten wird, welche Entscheidungen sie trifft.
    Ich betaste die Narbe auf meiner Wange. Wie könnte ich vergessen, was passiert ist?
    Ich schlüpfe auf den Gang hinaus. Die Lampen an der Wand sind gedimmt. Auf meinen Papiersandalen schleiche ich leise über den dünnen, hellgelben Teppichboden. Wieder ist das leise Dröhnen zu hören, und ich glaube fühlen zu können, wie der Luftdruck sich leicht verändert. Als würde alle zwanzig Sekunden ein Bus vorbeifahren.
    Die Quelle des Geräuschs liegt ganz in der Nähe, gerade hinter der nächsten Ecke.
    Ich bleibe stehen. Sollte ich nicht lieber umkehren und mich in meiner Wohnung verkriechen? Einfach so tun, als hätte ich nichts gehört. Dieses Gebäude ist ausschließlich für Menschen gedacht, die mindestens fünfundsechzig sind. Wir sind hier, damit man sich um uns kümmert, und nicht, damit wir uns um irgendwelche seltsamen Geräusche kümmern. Aber falls wirklich Gefahr droht, will ich lieber wissen, wie ernst die Lage ist. Wenn schon nicht um meiner selbst willen, so wenigstens um Kikos. In ihrem jetzigen Zustand ist sie komplett hilflos, und ich weiß nicht, wie ich sie vollständig reparieren kann. Bis ich herausfinde, wie der merkwürdige Bann zu brechen ist, unter dem sie sich befindet, ist sie voll und ganz auf meinen Schutz angewiesen.
    Was allerdings noch lange nicht heißt, dass ich hier den Helden spielen muss.
    Bevor ich die Abzweigung erreiche, lehne ich mich an die Wand und ruhe ein wenig meinen schmerzenden Rücken aus. Dann spähe ich vorsichtig um die Ecke. Mein Atem geht sowieso schon so schnell wie der einer Lokomotive. Doch der Anblick, der sich mir bietet, lässt ihn vorübergehend vollständig aussetzen.
    Die Bänke vorm Fahrstuhl sind leer. In die Wand ist eine senkrechte Reihe großer runder Lämpchen eingelassen, neben denen gut erkennbar die Nummern der Stockwerke stehen. Zuerst leuchtet nur das unterste Lämpchen. Aber dann steigt das rote Licht langsam nach oben. Immer wenn es zum nächsten Stockwerk springt, ist ein leises Klickgeräusch zu hören. Während der Fahrstuhl höher und höher steigt, kommt mir das Klicken immer lauter vor.
    Klick. Klick. Klick.
    Der rote Punkt erreicht das oberste Stockwerk und verweilt dort. Ich balle angespannt die Fäuste und beiße mir so fest auf die Lippe, dass sie zu bluten beginnt. Der Punkt rührt sich nicht. Doch plötzlich saust er wie ein Komet abwärts. Als er an meinem Stockwerk vorbeirast, höre ich erneut das seltsame Geräusch. Es kommt von dem Fahrstuhl, der mit der Geschwindigkeit eines Bleigewichts durch den Schacht fällt. Eine kleine Druckwelle kommt aus der Fahrstuhltür, als er vorbeirauscht, unmittelbar gefolgt von gedämpften, rasch wieder leiser werdenden Schreien.
    Klick-klick-klick-klick.
    Ich schrecke zurück. Drücke meinen Körper gegen die Wand und schließe die Augen. Als der Fahrstuhl unten aufschlägt, erzittern die Wände, und das Licht im Gang wird für einen kurzen Moment dunkler.
    Alles denkt. Lampen denken. Tische denken. Jedes Ding besitzt eine Seele und kann zwischen Gut und Böse wählen. Und die Seele des Fahrstuhls scheint ihre Wahl getroffen zu haben.
    »O nein, o nein, o nein«, wimmere ich. »Das ist gar nicht gut. Überhaupt nicht gut.«
    Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, eile dann den Gang hinab und drücke den Fahrstuhlknopf. Stockwerk für Stockwerk klettert der rote Punkt zu mir herauf.
    Klick. Klick. Klick. Pling. Die Türen gleiten auseinander wie ein Bühnenvorhang.
    »Nein, ganz und gar nicht gut, Nomura«, murmele ich leise.
    Die Wände sind mit Blut bespritzt, und an mehreren Stellen hat jemand mit

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