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Robocalypse: Roman (German Edition)

Robocalypse: Roman (German Edition)

Titel: Robocalypse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
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sitzen alle im selben Boot.«
    Hank kann nicht länger an sich halten. »Wir haben noch nie einen Fremden in den Kreis der Trommel treten lassen. Es ist ein geschlossener Kreis«, sagt er.
    »Das ist wahr«, bestätigt John. »Gray Horse ist heilig.«
    Der Junge sucht sich einen schlechten Moment aus, um in Panik zu verfallen. »Jetzt kommt schon, Leute! Ich kann nicht zurück. Da kann ich mich auch gleich in die nächste Schlucht stürzen. Da unten sind alle tot. Mein Name lautet Lark Iron Cloud. Kapiert ihr? Ich bin genauso Indianer wie ihr. Und ihr wollt mich in den Tod schicken, nur weil ich nicht zu eurem Stamm gehöre?«
    Ich lege Lark die Hand auf die Schulter, und er beruhigt sich allmählich. Nur das Knistern des Feuers und das Zirpen der Grillen ist noch zu hören. Die Gesichter der Osage um mich herum sind abweisend wie Felswände.
    »Lassen wir den Tanz entscheiden, John Tenkiller«, schlage ich vor. »Wir haben eine schwere Wahl zu treffen. Zu schwer für uns Menschen. Und mein Herz sagt mir, dass wir uns entschließen müssen, welchen Platz wir in der Geschichte einnehmen wollen. Also lass uns erst mal tanzen.«
    Der Drumkeeper beugt den Kopf. Schweigend warten wir auf seine Entscheidung. Wenn nötig, würden wir bis zum Morgen warten – das Ritual verlangt es so. Aber John stellt unsere Geduld nicht lange auf die Probe. Er hebt sein weises altes Gesicht und blickt mit seinen stechend blauen Augen in die Runde.
    »Wir werden tanzen«, sagt er. »Wir werden tanzen und auf ein Zeichen warten.«
    ***
    Die Frauen helfen den Tänzern mit ihren Kostümen. Als wir alle in vollem Ornat am Boden sitzen, holt John Tenkiller einen prall gefüllten Lederbeutel hervor. Mit zwei Fingern fischt er einen feuchten Klumpen roten Lehm heraus. Dann läuft er die Reihe der etwa ein Dutzend Tänzer ab und streicht jedem von uns rote Erde auf die Stirn.
    Kühl fühlt sich der Lehm, das Feuer von tsi-zhu, auf meiner Haut an. Die Zeichnung trocknet schnell und sieht aus wie ein Streifen geronnenes Blut. Vielleicht schon ein Omen für die Zukunft, die uns erwartet.
    In der Mitte der Lichtung steht eine große Trommel. John hockt sich davor, und regelmäßige Trommelschläge beginnen, durch die Nacht zu hallen. Schatten tanzen. Erwartungsvoll ruhen die dunklen Augen der Zuschauer auf uns – den erstgeborenen Söhnen. Einer nach dem anderen erheben wir uns und fangen an, um die Trommel zu tanzen.
    Es ist gerade mal zehn Minuten her, da waren wir noch Polizisten, Anwälte oder Lkw-Fahrer, aber nun sind wir Krieger. Nach altem Brauch gekleidet – in Leder, Federn, Perlen und Bänder –, führen wir eine Tradition fort, die in der offiziellen Geschichte dieses Landes kaum vorkommt.

    Jedes Mal staune ich wieder darüber, wie schnell diese Verwandlung vor sich geht. Jeder Kriegstanz kommt mir wie ein in Bernstein konserviertes Relikt vor. Durch nichts unterscheidet er sich von den Kriegstänzen der Vergangenheit.
    Als der Tanz beginnt, muss ich an die verrückte Welt denken, die nicht weit jenseits des flackernden Feuerscheins anfängt. In ständigem Wandel begriffen, taumelt sie voran, wie ein Betrunkener, der die Kontrolle über sich verloren hat. Doch die Welt der Osage bleibt dieselbe, hat ihre Wurzeln tief in den Hügel unter unseren Füßen getrieben, wärmt sich für alle Zeiten an diesem Feuer.
    So tanzen wir. Begleitet vom hypnotisierend gleichmäßigen Takt der Trommel, von den rhythmischen Bewegungen unserer Mittänzer. Jeder ist nur auf sich selbst konzentriert, trotzdem stellt sich bald eine tiefe Form der Harmonie zwischen uns ein. Wir Männer der Osage sind gebaut wie Ochsen. Aber jetzt hüpfen und schleichen und schlängeln wir ums Feuer wie geschmeidige Schlangen. Mit geschlossenen Augen verschmelzen wir miteinander, werden eins.
    Auf meiner Kreisbahn um die Flammen nehme ich das Feuer nur noch als flackernden roten Schein hinter meinen Lidern wahr. Bald reißt die rötlich schimmernde Dunkelheit auf, drängt zur Seite – und es ist, als würde ich durch ein Astloch in ein riesige Höhle blicken. Mein geistiges Auge hat sich geöffnet. Nun darf ich die Zukunft schauen – in Rot auf schwarz ins Nichts gemalt.
    Im Rhythmus der Körper lösen sich unsere Gedanken auf. Mein geistiges Auge zeigt mir das verzweifelte Gesicht von dem Kerl aus dem Eisladen. Wieder höre ich das Versprechen, das ich ihm gegeben habe. Ich nehme den metallischen Geruch des Blutes wahr, das die weißen Fliesen bedeckt. Als ich

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