Robocalypse: Roman (German Edition)
den Deckensprinklern regnet Löschwasser auf die Stufen und verwandelt sie in einen glitschigen Wasserfall. Die Rauchabzugsanlage läuft auf vollen Touren und saugt von unten kalte Luft in den Schacht. Der Krach der Turbinen übertönt das allgegenwärtige Schreien und Stöhnen. Vor meinen Augen scheinen die vielen aufeinanderliegenden Leiber der Gestürzten zu einem einzigen, sich qualvoll windenden Geschöpf zu verschmelzen.
Ich ziehe den Fuß aus der Tür, und sie schlägt laut zu.
Wir sitzen alle in der Falle. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die humanoiden Hausroboter dieses Stockwerk erreichen. Wenn sie hier oben ankommen, sind Mikiko und ich verloren.
»Die Lage ist sehr, sehr ernst, Mr. Nomura«, flüstere ich mir zu.
Yubin-kuns Kontrollauge blinkt gelb. Mein Freund ist auf der Hut und tut gut daran. Er spürt, dass etwas nicht stimmt.
»Mr. Nomura«, sagt die Stimme über mir. »Wenn Sie sich allein auf der Treppe nicht sicher fühlen, schicken wir jemanden, der Ihnen hilft. Bleiben Sie bitte, wo Sie sind. Hilfe ist bereits unterwegs.«
Klick. Klick. Klick.
Wieder beginnt der rote Punkt neben dem Fahrstuhl, langsam nach oben zu steigen.
Zweiundzwanzig Sekunden.
Ich drehe mich zu Yubin-kun um. Mikiko liegt mit aufgefächertem schwarzem Haar auf der Oberseite des beigefarbenen Kastens. Ich blicke hinab auf ihr sanft lächelndes Gesicht. Sie ist so schön und rein. Während sie dort friedlich schlummert, träumt sie von mir. Sie wartet darauf, dass ich sie von dem bösen Zauber befreie, der auf ihr liegt, und sie wieder aufwecke. Eines Tages wird sie von den Toten auferstehen und meine Königin werden.
Wenn ich nur mehr Zeit hätte.
Das trockene, bedrohliche Klicken der Fahrstuhlanzeige reißt mich aus meinen Träumereien. Ich bin ein alter Mann, der nicht mehr weiterweiß. Ich nehme Mikikos schlaffe Hand in meine und drehe mich zum Fahrstuhl um.
»Es tut mir so leid, Mikiko«, sage ich leise. »Ich habe es versucht, mein Liebling. Aber jetzt fällt mir nichts mehr ein, was ich noch … Au! «
Ich hüpfe nach hinten und reibe mir den Fuß, über den Yubin-kun gefahren ist. Sein Kontrolllämpchen blinkt hektisch. Drüben an der Wand erreicht der rote Punkt schließlich unser Stockwerk. Meine Zeit ist abgelaufen.
Pling.
Kühle Luft weht durch den Gang, als sich die Tür des Personallifts öffnet, der auf halbem Wege zum Fahrstuhl für die Bewohner liegt. Da ihn ja normalerweise nur Service-Robos benutzen, habe ich überhaupt nicht daran gedacht. Die einzelne Tür gleitet zur Seite, und dahinter kommt ein einfaches Stahlgehäuse zum Vorschein, das gerade genug Platz für den Post-Robo bietet. Doch auch Mikiko passt unter die Decke, als der Roboter auf seinen klebrigen Rädern mit ihr in den Fahrstuhl rollt.
Und mit etwas gutem Willen könnte ich tatsächlich mit hineinpassen.
Während ich versuche, mich in den schmalen Spalt neben dem Post-Robo zu zwängen, höre ich, wie weiter vorne die Tür des anderen Fahrstuhls aufgeht. Von meiner Position aus kann ich gerade so den Big-Happy-Hausroboter erkennen, der mit seinem künstlichen Grinsen in der blutverschmierten Kabine steht. Auch seine Verkleidung ist über und über mit roten Schlieren bedeckt. Scannend dreht er den Kopf hin und her.
Als das leblose lila Kameraauge mich erblickt, bleibt der Kopf stehen.
Ich presse meinen schmalen alten Körper mit aller Macht so weit in den Fahrstuhl hinein, dass die Tür zugleitet. Bevor die kleine Kabine mit einem plötzlichen Ruck abwärtssackt, schaffe ich es gerade noch, ein paar Worte an meinen neuen Gefährten zu richten.
»Danke, Yubin-kun«, sage ich. »Ich stehe tief in deiner Schuld, mein Freund.«
Yubin-kun war der erste Verbündete, den Mr. Nomura auf seine Seite ziehen konnte. In den grauenvollen Monaten, die auf Stunde null folgten, sollte er noch viele andere »Freunde« finden, die bereit waren, ihm beizustehen.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
VI.
Avtomat
»Mein Tag läuft bisher gar nicht so schlecht.«
Spc. Paul Blanton
Stunde null
Nach der Kongressanhörung zu dem Zwischenfall mit dem SIB wurde Paul Blanton der Pflichtversäumnis angeklagt, und ein militärgerichtliches Verfahren wurde gegen ihn eingeleitet. Als Stunde null anbrach, saß Paul in seiner Basis in Afghanistan in einer Arrestzelle. Gerade diese missliche Lage war es jedoch, die es dem jungen Soldaten ermöglichte, einen unschätzbaren Beitrag zur menschlichen Widerstandsbewegung zu leisten – und zu
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