Robocalypse: Roman (German Edition)
hm?«, frage ich.
»Ja. Das meine ich ernst. Ich bin es leid, mich hier oben auf diesem Hügel zu verstecken.«
»Dann zeige ich dir mal etwas.«
»Was?«
»Es ist nicht hier. Aber es ist wichtig. Pack einen Schlafsack ein und komm morgen früh zu mir. Wir werden ein paar Tage unterwegs sein.«
»Auf gar keinen Fall, Mann. Da hab ich keinen Bock drauf.«
»Hast du Angst?«
»Nein«, erwidert er grinsend. »Angst wovor?«
Unter uns könnte das im Mondlicht wogende Grasland ebenso gut das Meer sein. Ein beruhigender Anblick, doch fragt man sich automatisch, was für Monster sich unter den friedlichen Wellen verbergen mögen.
»Ich möchte wissen, ob du Angst vor dem hast, was dort draußen im Dunkeln lauert. Ich weiß nicht, was es ist. Das Unbekannte, nehme ich an. Wenn du davor Angst hast, kannst du hierbleiben. Dann lasse ich dich in Ruhe. Aber jemand muss sich darum kümmern. Und ich hatte gehofft, du hättest ein wenig Mut im Leib.«
Lark nimmt eine strammere Haltung ein, und das lässige Grinsen verschwindet aus seinem Gesicht. »Ich bin mutiger als jeder, den du kennst«, erklärt er.
Shit. Klingt, als würde er’s genau so meinen.
»Das hoffe ich, Lark«, sage ich und betrachte einmal mehr, wie sich das Gras sanft im Wind wiegt. »Das hoffe ich sehr.«
***
Am nächsten Morgen überrascht mich Lark. Ich besuche gerade John Tenkiller, sitze auf einem Baumstamm und teile mir eine Thermoskanne Kaffee mit ihm. Tenkiller gibt wie immer ziemlich rätselhaftes Zeug von sich, und ich höre halb zu und beobachte halb, wie die Sonne über der Prärie aufgeht.
Plötzlich kommt Lark Iron Cloud um die Ecke. Der Junge hat bereits gepackt und ist aufbruchsbereit. Er ist zwar wie ein Mafiakiller in einem Science-Fiction-Film gekleidet, aber wenigstens hat er vernünftige Stiefel an. Er beäugt Tenkiller und mich mit unverhohlenem Argwohn, läuft dann an uns vorbei und die ersten Meter des Pfads entlang, der vom Gray Horse Hill in die Prärie hinabführt.
»Was ist jetzt?«, fragt er.
Ich kippe meinen Kaffee hinunter, schultere meinen Rucksack und schließe mich dem langbeinigen Burschen an. Kurz bevor wir hinter der ersten Biegung zwischen den Bäumen verschwinden, drehe ich mich noch mal zu John Tenkiller um. Der alte Drumkeeper hebt die Hand und blickt uns ernst mit seinen im Morgenlicht funkelnden blauen Augen nach.
Was ich tun muss, wird nicht leicht, und Tenkiller weiß das.
Der Junge und ich brauchen den ganzen Morgen, um den Hügel hinabzusteigen. Nach etwa einer halben Stunde übernehme ich die Führung. Lark mag Mut haben, aber Ahnung, wo’s langgeht, hat er keine. Statt durch das hohe Gras der Prärie Richtung Westen zu gehen, schlagen wir einen östlichen Kurs ein. Geradewegs in den Eisenwald hinein.
Der Name passt. Hohe schlanke Pfahleichen ragen aus totem Laub auf, dazwischen ausladende Schwarzeichen. Bei beiden Baumarten ist die Borke so dunkel und hart, dass sie wie aus Gusseisen wirkt. Noch vor einem Jahr wäre ich nie darauf gekommen, dass sich das einmal als sehr nützlich erweisen würde.
Nach drei Stunden Marsch haben wir unser Ziel erreicht. Es ist nur eine kleine Lichtung. Aber hier bin ich zum ersten Mal auf die Fährte gestoßen. Rechteckige Spuren im Schlamm, jede in etwa so groß wie eine Spielkarte. Soweit ich es beurteilen konnte, stammten sie von etwas mit vier Beinen. Etwas Schwerem. Keine Losung zu finden. Und jeder Abdruck sah haargenau gleich aus.
Als ich schließlich begriff, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken: Die Roboter hatten sich Beine wachsen lassen.
Da ich keine weiteren Spuren finden konnte, ging ich davon aus, die Abdrücke stammten von einer Art Späher, der zum Rumschnüffeln hier hochgeschickt worden war. Drei Tage brauchte ich, um den Verursacher der Stapfen aufzuspüren. Mit seinen Elektromotoren war das Ding kaum zu hören. Und oft bewegte es sich stundenlang überhaupt nicht. Einen Roboter in der Wildnis aufzuspüren ist etwas ganz anderes, als der Fährte eines Tiers oder eines Menschen zu folgen. Erst fühlt es sich merkwürdig an, aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran.
»Wir sind da«, sage ich zu Lark.
»Wurde auch Zeit«, erwidert er und lässt seinen Rucksack auf den Boden plumpsen. Als er gerade die Lichtung betreten will, packe ich ihn an der Jacke und reiße ihn so heftig nach hinten, dass ich ihn glatt von den Füßen hole.
Ein silberner Streifen zischt an seinem Gesicht vorbei wie ein Vorschlaghammer und verpasst es nur um
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