Robocalypse: Roman (German Edition)
Nacht durchmarschiere, sollte ich bis zum Morgengrauen daheim sein. Ich hoffe, Lark wird lange genug überleben, um es ebenfalls nach Hause zu schaffen.
Das letzte Mal, als ich etwas Derartiges gemacht habe, wurde dadurch mein Sohn zum Mann. Er hasste mich dafür, aber dafür hatte ich Verständnis. Egal, wie sehr Kinder darauf pochen, als Erwachsene behandelt werden zu wollen: Seine Kindheit lässt niemand wirklich gerne los. Man wünscht es sich und träumt davon, aber kaum ist es so weit, fragt man sich, was man getan hat. Man fragt sich, in was man sich da verwandelt hat.
Aber bald wird es Krieg geben, und nur ein Mann kann die Gray-Horse-Army anführen.
***
Drei Tage später steht meine Welt kurz davor, in die Luft zu fliegen. Einen Tag vorher haben die Möchtegerngangster der Gray-Horse-Army angefangen, mich des Mordes an Lark Iron Cloud zu beschuldigen. Tatsächlich weist ja auch alles darauf hin. Deswegen schreien sie jetzt vor dem Rat nach meinem Blut.
Die aus Baumstämmen gemachten Bänke auf dem großen Platz mit der Feuerstelle sind vollbesetzt. Der alte John Tenkiller sagt nichts, sondern lässt sich seelenruhig von Larks Jungs beschimpfen. Neben ihm steht Hank Cotton, der die großen Hände zu Fäusten geballt hat. Überall stehen Mitglieder der Stammespolizei in kleinen, angespannten Gruppen zusammen: Das könnte der Anfang eines waschechten Bürgerkriegs sein.
Habe ich zu viel auf eine Karte gesetzt? Hätte ich die Sache lieber anders angehen sollen?
Doch bevor wir dazu übergehen können, uns gegenseitig den Garaus zu machen, wankt ein zerschrammter und blutiger Lark Iron Cloud den Hügel hinauf. Er hat etwas dabei, bei dessen Anblick allen die Kinnlade herunterklappt: Ein vierbeiniger Gehroboter ist mit einem Stahlseil an seinen Rucksack gebunden und läuft brav wie ein Muli hinter ihm her. Wir starren ihn alle in sprachloser Verblüffung an, doch John Tenkiller steht auf und geht auf ihn zu, als habe er ihn genau zu diesem Zeitpunkt erwartet.
»Lark Iron Cloud«, sagt der alte Drumkeeper. »Du hast Gray Horse als Knabe verlassen. Jetzt kehrst du als Mann zurück. Es hat uns traurig gemacht, dass du gehen musstest, aber nun freuen wir uns, dass du als ein anderer zu uns zurückkehrst. Willkommen daheim, Lark Iron Cloud. Durch dich wird unser Volk überleben.«
Die wahre Gray-Horse-Army war geboren. Kurze Zeit später vereinigten Lark und Lonnie die Stammespolizei und die GHA zu einer einzigen Streitmacht. Bald sprach man überall in den USA von dieser menschlichen Armee, zu deren Taktik es gehörte, so viele von Robs vierbeinigen Spähern zu fangen und zu zähmen wie möglich. Der größte dieser erbeuteten Geher bildete die Grundlage für eine entscheidende Waffe im Neuen Krieg, einen so erstaunlichen Apparat, dass ich seine Existenz stets für ein Gerücht gehalten habe: den Spinnenpanzer.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
III.
Fort Bandon
»Lasst uns einfach gehen. Wir sind schon
weg, Mann. Wir sind schon weg.«
Jack Wallace
Neuer Krieg + 3 Monate
In den ersten Monaten nach Stunde null begann für Milliarden Menschen auf der Welt ein verzweifelter Kampf ums Überleben. Viele wurden von genau jenen technischen Errungenschaften umgebracht, auf die sie sich bisher so stark verlassen hatten: von Autos, Hausrobotern und mitdenkenden Gebäuden. Andere wurden gefangen genommen und in die Zwangsarbeitslager gesteckt, die überall vor den Toren großer Städte aus dem Boden gestampft wurden. Doch für jene Menschen, die versuchten, in der Wildnis über die Runden zu kommen – die Flüchtlinge –, wurden ihre eigenen Mitmenschen bald zu einer ebenso großen Gefahr wie Rob. Oder sogar zu einer noch größeren.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
D rei Monate. Wir brauchen drei Monate, um aus Boston und dem Bundesstaat Massachusetts rauszukommen. Zum Glück hat mein Bruder nicht nur eine Karte und einen Kompass eingepackt, sondern weiß auch damit umzugehen. Jack und ich haben Angst, sind zu Fuß unterwegs und schleppen einen Haufen Ausrüstung mit, den wir aus der Waffenkammer der Nationalgarde gemopst haben.
Aber deswegen dauert es nicht so lang.
Städte und Gemeinden versinken im Chaos. Wir umgehen sie nach Möglichkeit, doch uns vollständig von ihnen fernzuhalten ist unmöglich. Ganze Rudel Autos fahren durch die Gegend und suchen nach Opfern. Aus manchen Gebäuden feuern Menschen mit Waffen auf sie. Manchmal sind die Wagen leer. Manchmal sitzt noch jemand drin. Einmal beobachte ich, wie ein
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