Robocalypse: Roman (German Edition)
Müllwagen neben einem großen Container hält. Zwei Gabeln werden ausgefahren, und der hydraulische Hebemechanismus springt an. Mit der Hand vor dem Mund versuche ich, mein Essen bei mir zu behalten, als die Leichen aus dem Müllcontainer purzeln wie gekeulte Schweine nach einer Viehseuche.
Ein andermal bleiben Jack und ich auf einer Brücke stehen, um zu verschnaufen. Ich drücke meine Stirn gegen den Maschendraht und sehe unter mir einen achtspurigen Highway voller Autos, die mit ungefähr fünfzig Stundenkilometern alle in dieselbe Richtung fahren. Keine Bremslichter. Keine Blinker. Kein normaler Verkehr. Bei einem der Wagen zwängt sich ein Mann aus dem Schiebedach, rollt vom Auto und direkt unter den Wagen dahinter. Mit zusammengekniffenen Augen erinnert das Ganze an einen riesigen Stahlteppich, der langsam über den Highway gezogen wird.
Richtung Meer.
Man braucht ein Ziel und muss sich bemühen, es schnell zu erreichen. Wenn man in den Städten zu lang an einer Stelle bleibt, überlebt man dort nicht lange. Und das ist unser Geheimnis. Außer wenn wir schlafen, sind Jack und ich die ganze Zeit in Bewegung.
Sobald Leute uns sehen, wollen sie uns zu sich rufen. Mein Bruder sagt dann immer: »Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir kommen mit Unterstützung zurück.«
Wie ich Jack kenne, glaubt er wahrscheinlich sogar daran. Trotzdem lässt er sich durch nichts und niemanden aufhalten. Und das genügt mir.
Mein Bruder will unbedingt zu einem Stützpunkt der Army gelangen, damit wir von dort aus den Menschen zu Hilfe kommen können. Während wir uns Block für Block durch die Städte schleichen, redet er die ganze Zeit darüber, wie wir mit den Soldaten zurückkehren und die Maschinen erledigen werden. Er sagt, wir werden von Haus zu Haus gehen, die Menschen dort einsammeln und sie in eine gesicherte Zone bringen. Außerdem Patrouillen einrichten, die sich die ganzen außer Kontrolle geratenen Roboter vornehmen.
»Ein, zwei Tage, Cormac«, meint er. »Länger als ein, zwei Tage wird es nicht dauern. Dann werden wir alles wieder in Ordnung gebracht haben.«
Ich möchte ihm gerne glauben, kann es aber nicht. Die Waffenkammer hätte ein Bollwerk gegen den Angriff sein sollen, doch stattdessen wimmelte es dort vor verrücktspielenden Landminen. So gut wie alle militärischen Fahrzeuge verfügen über eine Art Autopiloten, der die Insassen in Sicherheit bringen soll, wenn der Fahrer ausfällt. »Wie wird es auf so einem Stützpunkt wohl aussehen?«, frage ich. »Dort gibt es mehr Minen als in dem Zeughaus. Und Panzer. Kampfhubschrauber. Mobile Geschütze.«
Jack läuft einfach weiter, den Blick starr nach vorne gerichtet.
Die Bilder der Zerstörung verschwimmen, doch einzelne Szenen treten mit grausamer Deutlichkeit hervor. Ein alter Mann wird von einer Slow Sue mit strenger Miene in einen dunklen Hauseingang gezerrt; ein brennendes, führerloses Auto fährt vorbei, unter dessen Stoßstange ein großer Fleischbrocken klemmt, der eine fettig glänzende Spur auf dem Asphalt hinterlässt; ein Mann fällt schreiend und mit den Armen rudernd von einem Haus, während an der Dachkante ein Big Happy steht und lächelnd hinterhersieht.
Rums!
Schreie und Schüsse hallen durch die Straßen, das Heulen von Alarmsirenen. Zum Glück lässt Jacks Tempo uns kaum Zeit, zu verschnaufen und uns umzusehen. Wie zwei Ertrinkende auf dem Weg zur Wasseroberfläche kämpfen wir uns durch das Grauen.
Drei Monate.
Wir brauchen drei Monate, um das Fort zu finden. Drei Monate, in denen sich der Schmutz auf meiner Uniform sammelt, ich mein Gewehr zu bedienen lerne und es im schwachen Licht unserer kleinen Lagerfeuer immer wieder reinige. Dann überqueren wir eine Brücke über den Hudson und erreichen unser Ziel, das knapp außerhalb der Überreste der Stadt Albany liegt.
Fort Bandon.
***
»Runter!«
»Auf eure verdammten Knie!«
»Hände hinter den Kopf, ihr Scheißkerle!«
»Füße zusammen!«
Die Stimmen schreien uns aus der Dunkelheit entgegen. In großer Höhe geht ein Scheinwerfer an. Ich sehe mit zusammengekniffenen Augen ins Licht und versuche, nicht in Panik auszubrechen. Mein Gesicht ist taub von dem plötzlichen Adrenalinschub, und meine Arme fühlen sich an wie aus Gummi. Jack und ich gehen nebeneinander auf die Knie. Ich kann mich atmen hören, keuchen. Verdammt. Ich habe eine Scheißangst.
»Ist schon okay«, flüstert Jack. »Verhalt dich einfach ruhig.«
»Haltet verdammt noch mal das Maul!«, schreit ein Soldat.
Weitere Kostenlose Bücher