Robocalypse: Roman (German Edition)
nicht dran gewöhnt. Ist aber auch nicht so wichtig. Ob ich mich dran gewöhne oder nicht: Hauptsache, ich bin am Leben.
Ein paar Sekunden liege ich still da und spitze die Ohren. Immer besser, nicht einfach sofort aus dem Bett zu springen. Man weiß nie, was nachts durch die Gegend schleicht. Im Laufe des letzten Jahres sind die meisten Roboter kleiner geworden. Andere wurden größer. Viel größer.
Während ich meinen Schlafsack zusammenrolle, haue ich mir ein paar Mal die Birne an. Ist es aber wert. Dieser alte Schrotthaufen ist mein bester Freund. In den Straßen von New York stehen dieser Tage so viele ausgebrannte Autos, dass die Mistkerle nicht unter jedes einzelne schauen können.
Ich winde mich unter dem Wagen hervor ins graue Morgenlicht. Dann greife ich noch mal drunter, um meinen dreckigen Rucksack hervorzuziehen, und streife ihn mir über. Ich huste und spucke einen dicken Batzen Schleim auf den Boden. Die Sonne ist schon aufgegangen, aber es ist noch kalt. Der Sommer hat gerade erst begonnen.
Immer noch scheppern die Dosen. Ich lasse mich auf ein Knie nieder und mache sie vom Seil los, bevor irgendwelche Maschinen auf den Krach aufmerksam werden. Hier oben über Tag ist es wichtig, leise zu sein, immer in Bewegung zu bleiben und sich nicht allzu berechenbar zu verhalten.
Ansonsten ist man tot.
Wachdienst. Von den Hunderttausenden Menschen, die in die Wälder geflüchtet sind, verhungert gerade ungefähr die Hälfte. Abgemagert und verdreckt kommen sie in die Stadt gestolpert, auf der Flucht vor Wölfen und auf der Suche nach Nahrung.
Meistens werden sie schnell von den Maschinen erwischt.
Ich ziehe mir meine Kapuze über den Kopf und lasse meinen schwarzen Trenchcoat offen, damit der wallende Stoff die Zielsuchsysteme der Roboter verwirrt, besonders die der verdammten mobilen Wachtürme. Apropos, ich muss von der Straße weg. Ich schlüpfe in ein zerstörtes Gebäude und bahne mir meinen Weg über Müll und Schutt zur Quelle des Signals.
Nachdem wir die halbe Stadt gesprengt hatten, konnten uns die herkömmlichen Hausroboter nicht mehr kriegen, weil ihr Gleichgewichtssinn überfordert war. Eine Zeitlang waren wir sicher, und diese Phase nutzten wir, um unter der Erde und in demolierten Gebäuden Quartier zu beziehen.
Doch dann erschien eine neue Art von Killermaschine auf der Bildfläche.
Wir nennen sie die Gottesanbeterin. Sie hat vier mit zahlreichen Gelenken versehene Beine, die so lang wie Telefonmasten sind und aus irgendeiner wabenartigen Kohlenstofffaser bestehen. Ihre Füße sehen aus wie umgebogene Eispickel und hacken sich bei jedem Schritt in den Boden. Die Arme sind verhältnismäßig klein, jedoch mit großen, gezackten Sensen bestückt, die nicht nur Holz- und Trockenwände, sondern auch massive Steinmauern durchschlagen. Das Ding huscht auf seinen gebogenen Beinen umher wie ein Insekt, den Körper so tief überm Boden, dass es insgesamt nicht viel größer als ein kleiner Pick-up-Truck wirkt. Sieht aus wie eine Gottesanbeterin.
Ziemlich ähnlich, jedenfalls.
Ich bin gerade dabei, mich auf dem eingestürzten Stockwerk eines Bürogebäudes an leeren Schreibtischen vorbeizudrücken, als ich ein verräterisches Zittern unter meinen Füßen spüre. Draußen ist etwas Großes. Ich bleibe wie erstarrt stehen und gehe dann auf dem müllübersäten Boden in die Hocke. Über eine wellig gewordene Tischplatte hinweg beobachte ich die Fenster. Ein grauer Schatten gleitet vorbei, aber etwas anderes sehe ich nicht.
Trotzdem halte ich eine Minute inne.
Nicht weit von hier spielt sich gerade eine vertraute Szene ab. Ein Überlebender hat einen seltsam aussehenden Steinhaufen entdeckt, der einem Roboter nie auffallen würde. Daneben liegt ein Seil, an dem er gezogen hat. Vor zehn Minuten war mein Überlebender noch am Leben, so viel weiß ich. Ob das in den nächsten zehn Minuten auch so bleibt, ist jedoch nicht sicher.
Auf der eingestürzten Seite des Gebäudes klettere ich über zerbrochene Kanthölzer und zerschmetterte Backsteine auf eine Sichel aus grauem Morgenlicht zu. Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze stecke ich den Kopf aus dem Spalt und schaue mir die Straße an.
Die auf der Veranda gegenüber aufgeschichtete Markierung sieht noch aus wie vorher. Ein Mann kauert daneben, die Arme um die Knie gelegt, den Kopf gebeugt. Er schaukelt sanft vor und zurück, vielleicht um sich warm zu halten.
Das mit dem Zeichen funktioniert, weil den Maschinen natürliche Dinge wie Steine und
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