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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht, denn in der Zelle,
    die sie einschloß, herrschte vollständige Finsternis. Ein ganz
    schwacher Lichtschein drang nur durch eine Art Schieß-
    scharte herein, die in 6 bis 7 Fuß Höhe in der Wand ange-
    bracht war.
    Es versteht sich von selbst, daß Phil Evans keinen Augen-
    blick zögerte, auch seinen Rivalen zu befreien. Einige Züge
    mit dem Bowiemesser genügten zum Durchschneiden der
    Stricke, die dessen Füße und Hände fesselten. In heller Wut
    riß sich Onkel Prudent, als er sich kaum auf den Füßen auf-
    richten konnte, die Binde herunter und den Knebel heraus
    und stammelte mit erstickter Stimme:
    »Ich danke Ihnen!«
    »Nein! ... Hier ist nichts zu danken«, antwortete der an-
    dere.
    »Phil Evans?«
    »Onkel Prudent?«
    »Hier gibt es keinen Vorsitzenden und keinen Schrift-
    führer des Weldon-Instituts, ich denke, auch keine Gegner
    mehr.«
    »Sie haben recht«, bestätigte Phil Evans. »Hier sind wir
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    nur zwei Männer, die sich zu rächen haben an einem drit-
    ten, dessen Gewaltstreich die strengste Wiedervergeltung
    herausfordert.«
    »Und dieser dritte ...«
    »Ist jener Robur! ...«
    »Ja, jener Robur!«
    Hier fand sich also einmal ein Punkt, bezüglich dessen
    die beiden Ex-Konkurrenten völlig übereinstimmten, ein
    Streit über diesen Gegenstand schien demnach ganz aus-
    geschlossen.
    »Und Ihr Diener?« bemerkte da Phil Evans mit einem
    Fingerzeig auf Frycollin, der wie ein Seehund schnaufte,
    »wir müssen auch ihn befreien.«
    »Noch nicht«, erwiderte Onkel Prudent, »er würde uns
    mit seinen Klageliedern den Kopf warm machen, und wir
    haben jetzt anderes zu tun, als auf sein Jammern zu ach-
    ten.«
    »Und was denn, Onkel Prudent?«
    »Uns zu retten, wenn es möglich ist.«
    »Und selbst wenn es unmöglich ist!«
    Ein Zweifel daran, daß diese Entführung jenem Fremd-
    ling, dem Robur, zuzuschreiben sei, konnte dem Präsiden-
    ten und seinem Kollegen gar nicht in den Sinn kommen. In
    der Tat hätten ja einfache, ehrsame Räuber sie unzweifel-
    haft ihrer Uhren, Edelsteine, Brieftaschen und Portemon-
    naies entledigt und sie dann mit einem Schnitt durch den
    Hals in den Schuylkill River geworfen, statt sie einzuschlie-
    ßen in ... Ja, in was? – Das war eine ernste Frage, welche die
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    schleunigste Lösung verdiente, ehe sie mit einiger Aussicht
    auf Erfolg an irgendwelche Vorbereitungen zu ihrer Flucht
    denken konnten.
    »Phil Evans«, nahm Onkel Prudent wieder das Wort,
    »wir hätten wahrlich besser daran getan, wenn wir beim
    Weggehen aus der Sitzung, statt Liebenswürdigkeiten, auf
    die wir hier nicht zurückkommen wollen, auszutauschen,
    lieber etwas weniger zerstreut gewesen wären. Verließen
    wir die Straßen von Philadelphia nicht, so wäre das alles
    nicht geschehen. Offenbar hatte jener Robur schon eine Ah-
    nung davon, was sein Auftreten im Club bewirken würde, er
    mutmaßte die Wutausbrüche, die seine Herausforderungen
    entfesseln mußten, und hatte vor der Tür sicherlich einige
    seiner Banditen, ihm im schlimmsten Fall beizuspringen.
    Als wir dann die Walnut Street verließen, spürten uns seine
    Schergen auf, folgten unseren Spuren und als sie sahen, daß
    wir uns unklugerweise in den Alleen des Fairmont Parks
    verirrten, da hatten sie ja leichtes Spiel.«
    »Einverstanden«, antwortete Phil Evans. »Ja, wir haben
    sehr unrecht getan, nicht unmittelbar unsere Wohnungen
    aufzusuchen.«
    »Man hat immer unrecht, nicht recht zu haben«, ver-
    setzte Onkel Prudent.
    Da ertönte ein langgezogener Seufzer aus dem finsteren
    Winkel der Zelle.
    »Was war das?« fragte Phil Evans.
    »O nichts ... Frycollin träumt nur.«
    Und Onkel Prudent fuhr ungestört fort:
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    »Zwischen dem Zeitpunkt, wo wir wenige Schritte vom
    Anfang der Lichtung ergriffen wurden, und dem, wo man
    uns in diesen Winkel warf, sind kaum 2 Minuten verflossen.
    Es liegt also auf der Hand, daß jene Leute uns nicht über
    den Fairmont Park hinaus verschleppt haben.«
    »Denn wenn das geschehen wäre, hätten wir doch von
    der Fortschaffung etwas verspüren müssen.«
    »Einverstanden«, erklärte Onkel Prudent. »Es unterliegt
    also keinem Zweifel, daß wir in einer Abteilung irgendeines
    Wagens eingesperrt sind, vielleicht in einem jener langen
    Prärie-Reisewagen oder in dem Gefährt von Seiltänzern.«
    »Ohne Zweifel. Befänden wir uns auf einem auf dem
    Schuylkill River vertäuten Schiff, so müßte sich das durch
    ein leichtes Schwanken von Bord zu Bord, veranlaßt

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