Robur der Sieger
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Presse bediente, um die Alte und die Neue Welt für die Sa-
che zu interessieren.
In der Tat steht es ja durch Rechnung und Erfahrung
fest, daß die Luft ein sehr widerstandsfähiger Stützpunkt
sein kann. Ein Kreis von einem Meter Durchmesser vermag
als Fallschirm nicht nur das Eindringen in die Luft zu ver-
langsamen, sondern den Fall sogar isochronisch zu machen.
Das war schon längst bekannt.
Ebenso wußte man, daß die Einwirkung der Schwerkraft,
wenn die Fortbewegung eines Körpers sehr schnell ist, etwa
im umgekehrten Verhältnis des Quadrats zur Schnelligkeit
abnimmt und zuletzt ziemlich bedeutungslos werden kann.
Man wußte ferner, daß sich bei zunehmendem eigenen
Gewicht eines fliegenden Tieres die zum Schwebenderhal-
ten notwendige Oberfläche der Flügel nicht in gleichem
Maß vergrößert, obwohl die Bewegungen, die es ausführt,
etwas langsamer sein müssen.
Ein Aviations-Apparat muß demnach so konstruiert
sein, daß er diesen Naturgesetzen entspricht und dem Vogel
nachgebildet ist, »dem wunderbaren Typus der Fortbewe-
gung in der Luft«, wie Doktor Marey im französischen Ins-
titut sich ausgedrückt hat.
Die Apparate nun, die allein dieses Problem zu lösen ver-
mögen, zerfallen in folgende drei Arten:
1. Die Helikopteren oder Spiraliferen, die nur aus Schrau-
ben mit vertikalen Achsen bestehen.
2. Die Orthopteren, das sind Maschinen, die ganz den
natürlichen Flug der Vögel nachzuahmen bestimmt sind.
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3. Die Aeroplane, in Wirklichkeit geneigte Ebenen, wie
die Papierdrachen der Knaben, aber von horizontalen
Schrauben getrieben oder gezogen.
Jedes dieser Systeme hatte und hat selbst noch heute ent-
schiedene Anhänger, die ihre Ansichten unabänderlich als
die richtigen hinstellen.
Aus mancherlei Gründen hatte Robur jedoch die beiden
letzteren verworfen.
Es unterliegt zwar keinem Zweifel, daß die Orthoptere,
der mechanische Vogel, gewisse Vorzüge aufweist. Die Ar-
beiten Renauds haben dafür 1884 den Beweis geliefert. Doch
man darf, wie dem Genannten auch eingeworfen wurde, die
Natur niemals sklavisch nachahmen wollen. Die Lokomo-
tiven sind auch nicht nach dem Vorbild der Hasen und die
Dampfschiffe nicht nach dem der Fische gebaut. Den erste-
ren gab man Räder, die doch keine Beine sind, den letzteren
Schrauben, die gewiß nicht den Flossen entsprechen. Und
wir meinen, beide laufen doch recht gut. Übrigens weiß
man noch gar nicht genau, wie der Flug der Vögel, die sehr
komplizierte Bewegungen ausführen, eigentlich zustande
kommt. Doktor Marey z.B. hat die Vermutung ausgespro-
chen, daß die Federn der Flügel sich beim Aufschlag öffnen,
um die Luft durchzulassen – ein Vorgang, der durch eine
künstliche Maschine schwerlich herzustellen sein möchte.
Andererseits ist nicht zu bezweifeln, daß auch die Ae-
roplane einige gute Erfolge aufzuweisen haben. Setzen die
Schrauben den Luftschichten eine schiefe Ebene entgegen,
so müßte daraus eine aufsteigende Bewegung hervorgehen,
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und kleine Versuchsapparate haben bewiesen, daß das dis-
ponible Gewicht, dasjenige, über welches man noch über
das Eigengewicht des Apparats hinaus verfügen könnte, mit
dem Quadrat der Geschwindigkeit zunahm. Hierin liegt of-
fenbar ein großer Vorteil, der die der Aerostaten, die aufge-
trieben werden sollen, weit übertrifft.
Nichtsdestoweniger glaubte Robur, daß, wenn es etwas
noch besseres gäbe, das auch noch einfacher sein müsse.
Auch die Schrauben – die ihm im Weldon-Institut durch
ein glückliches Wortspiel direkt an den Kopf geworfen wor-
den waren – konnten ja wohl allen Ansprüchen an seine
Flugmaschine genügen. Die einen sollten sie in der Luft
schwebend erhalten, die anderen sie unter den besten Ver-
hältnissen der Schnelligkeit und Sicherheit in der Horizon-
talen fortbewegen.
Theoretisch müßte man ja mit einer nur kurzen, aber
in der Fläche großen Schraube, wie Victor Tatin es zuerst
ausgesprochen hatte, dahin gelangen, »wenn man es auf das
Äußerste triebe, ein ungeheures Gewicht durch verschwin-
dend kleine Kraft zu heben«.
Wenn die Orthoptere – durch Flügelschläge gleich ei-
nem Vogel – sich erhebt, indem sie sich in normaler Weise
gegen die Luft stürzt, so steigt die Helikoptere auf, indem
sie mit ihren Schraubenflügeln schräg dagegen wirkt, als ob
sie eine geneigte Ebene hinaufklimme. Im Grunde hat sie
ja nur schraubenförmig gewundene anstelle der
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