Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Guinea zwischen dem Sudan und dem Golf,
    der dessen Namen trägt. Am Horizont erhoben sich schon
    in undeutlicher Linie die Kong-Berge des Königreichs Da-
    homey.
    Seit der Abfahrt von Timbuktu hatten Onkel Prudent
    und Phil Evans beobachten können, daß sie stets die Rich-
    tung von Norden nach Süden eingehalten hatten. Sie schlos-
    sen daraus, daß sie, wenn hierin keine Änderung eintrat, 6
    Grad weiter die Äquinoktiallinie erreichen mußten. Sollte
    die ›Albatros‹ sich wirklich vom Festland ganz wegwenden
    und hinaus, nicht auf das Bering-Meer, den Kaspis-See, die
    Nordsee und das Mittelmeer, sondern auf den Atlantischen
    Ozean wagen wollen?
    Diese Aussicht war für die beiden Kollegen, die damit
    jede Gelegenheit zu fliehen verloren, freilich nicht beson-
    ders angenehm.
    Die ›Albatros‹ bewegte sich jetzt jedoch nur langsam
    vorwärts, als zögere sie noch, das afrikanische Gebiet zu
    verlassen. Der Ingenieur dachte indes keineswegs an eine
    Umkehr, nur fesselte das Land, über das sie kamen, seine
    Aufmerksamkeit im höchsten Grad.
    Es ist allgemein und war ihm nicht minder bekannt, daß
    das Königreich Dahomey an der Westküste Afrikas eines der
    — 205 —
    mächtigsten ist. Stark genug, um sich mit dem benachbar-
    ten Reich der Aschantis im Kampf messen zu können, sind
    seine Grenzen doch sehr beschränkt, denn es mißt nur 25
    (englische) Meilen von Nord nach Süd und an die 60 Mei-
    len von Ost nach West; seine Einwohnerzahl beläuft sich je-
    doch auf 7- bis 800.000 Seelen, seitdem es die bisher unab-
    hängigen Gebiete von Ardrah und Wydoch annektiert hat.
    Wenn dieses Königreich Dahomey also auch nicht groß
    ist, so hat es doch recht oft von sich reden gemacht. Es
    wurde zeitig berühmt durch die entsetzlichen Grausamkei-
    ten, die dort beim Jahreswechsel begangen werden, durch
    die Menschenopfer, die furchtbaren Hekatomben, die ge-
    wöhnlich dem verstorbenen und dem seine Stelle ersetzen-
    den König dargebracht werden. Ja, es gehört sozusagen zum
    guten Ton, daß der König von Dahomey, wenn er den Be-
    such einer hohen Person oder etwa eines Gesandten erhält,
    diesem zu Ehren einem Dutzend Gefangenen die Köpfe ab-
    schlagen läßt – abschlagen durch seinen Minister der Justiz,
    den ›Minghan‹, der sich seiner Aufgabe als Henker vortreff-
    lich entledigt.
    Zu der Zeit, als die ›Albatros‹ die Grenze von Dahomey
    überschritt, war eben der König Lahadu verstorben und die
    ganze Bevölkerung schritt zur Feier der Thronbesteigung
    seines Nachfolgers. Daher herrschte im ganzen Land eine
    große Aufregung und Bewegung, die Robur nicht hatte ent-
    gehen können.
    Lange Züge von Landbewohnern Dahomeys drängten
    sich nach Abomey, der Hauptstadt des Reichs, hin. Überall
    — 206 —
    zeigte das Land wohlunterhaltene Straßen, die durch weite,
    mit sehr hohem Gras bewachsene Ebenen verlaufen. Unge-
    heure Maniokfelder, Wälder voll herrlicher Palmen, Kokos-
    nußbäume, Mimosen, Orangen- und Mangobäume, deren
    Düfte bis zur ›Albatros‹ hinaufstiegen, während Tausende
    von Papageien und Kardinälen aus dem dunklen Grün auf-
    flatterten.
    Über die Reeling gebeugt und in Gedanken versunken,
    wechselte der Ingenieur nur wenige Worte mit Tom Turner.
    Es schien übrigens nicht, als ob die ›Albatros‹ von vorn-
    herein die Aufmerksamkeit der sich fortbewegenden Men-
    schenmasse erweckte, die auch selbst unter den dichten
    Baumkronen meist nicht sichtbar war. Hauptsächlich kam
    das jedoch wohl daher, daß sie sich in großer Höhe und zwi-
    schen leichten Wolken hielt.
    Gegen 11 Uhr vormittags erschien die Stadt mit ihrem
    Mauergürtel, den noch ein 12 Meilen im Umfang messen-
    der Graben verteidigt, mit ihren breiten regelmäßigen, sehr
    eben verlaufenden Straßen und dem großen Platz, den der
    Palast des Königs einnimmt. All die vielen Baulichkeiten
    überragt noch eine Terrasse, nicht weit vom gewöhnlichen
    Opferplatz. Während der größten Feste werden dem Volke
    von deren Höhe aus die in Weidenkörben angebundenen
    Gefangenen zugeworfen, und man kann sich schwer eine
    Vorstellung von der Wut machen, mit der diese Unglück-
    lichen in Stücke gerissen werden.
    In einem Teil der Höfe, die den Palast des Herrschers
    umschließen, sind 4.000 Krieger einquartiert, eine der Ab-
    — 207 —
    teilungen der königlichen Armee, und natürlich nicht die
    schlechteste.
    Wenn es auch zweifelhaft ist, daß es jemals Amazonen
    auf dem Strom dieses Namens gegeben habe, so liegt

Weitere Kostenlose Bücher