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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Sollte sie wirklich
    noch mehr als eine Reise um die Erde ausführen? Auf jeden
    Fall mußte diese Fahrt doch irgendwo ein Ende nehmen.
    Daß Robur sein ganzes Leben in den Lüften, an Bord des
    Aeronefs zubringen sollte, ohne jemals zur Erde hinunter-
    zugehen, war doch wohl nicht anzunehmen, denn wie hätte
    er seine Vorräte an Munition und Lebensmitteln erneuern
    sollen, ohne das für das Funktionieren der Maschine not-
    wendige Material zu erwähnen? Unbedingt mußte er also
    einen Zufluchtsort, eine Art Nothafen haben, und wahr-
    scheinlich auf einem unbekannten und schwer erreichba-
    ren Punkt der Erde, wo die ›Albatros‹ sich mit allen Bedürf-
    nissen frisch versehen konnte. Mit den Bewohnern der Erde
    mochte er jeden Verkehr abgebrochen haben, mit der Erde
    als solcher aber gewiß nicht.
    Doch wenn das der Fall war, wo lag dieser Punkt? Wie
    mochte der Ingenieur dazu gelangt sein, ihn zu erwählen?
    Erwartete ihn eine kleine Kolonie etwa als ihren Herrn?
    Konnte er von da neue Mannschaften erhalten? Und zu-
    nächst, wie war er überhaupt dazu gekommen, seine, aus
    den verschiedensten Ländern stammenden Leute an sein
    Schicksal zu binden? Über welche Mittel verfügte er fer-
    ner, um einen so kostspieligen Apparat erbauen zu können,
    dessen ganze Konstruktion so geheimgehalten worden war?
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    Sein Unterhalt freilich schien nicht besonders viel zu bean-
    spruchen. An Bord führte man fast ein gemeinsames Leben,
    wie in einer Familie oder wie glückliche Leute, die kein Ge-
    heimnis voreinander haben. Doch, wer war eigentlich jener
    Robur? Woher kam er? Welcher Art war seine Vergangen-
    heit? Das waren ebenso viele unlösbare Rätsel, und der, auf
    den sie Bezug hatten, würde gewiß der letzte sein, eine Er-
    klärung darüber abzugeben.
    Es ist gewiß nicht zu verwundern, wenn diese Situation
    voller unenthüllbarer Probleme die beiden Kollegen mehr
    und mehr erregte. Sich so ins Unbekannte hinaus entführt
    und den endlichen Ausgang eines solchen Abenteuers nicht
    im geringsten vorauszusehen, selbst daran zu zweifeln, daß
    es überhaupt jemals ein Ende nehme, zum ewigen Umher-
    fliegen verurteilt zu sein – mußte das den Vorsitzenden und
    den Schriftführer des Weldon-Instituts nicht aufs Äußerste
    treiben?
    Inzwischen schwebte die ›Albatros‹ am Abend des 11. Juli
    über den Atlantischen Ozean hin. Als am nächsten Morgen
    die Sonne aufging, erhob sie sich über die kreisförmige Li-
    nie, in der Himmel und Wasser zusammenzutreffen schei-
    nen. Trotz des weit ausgedehnten Gesichtsfelds war doch
    nirgends ein Land in Sicht und Afrika schon vollständig
    hinter dem nördlichen Horizont verschwunden.
    Als Frycollin sich einmal aus seiner Kabine wagte, und
    das weite Meer unter sich sah, wurde er sofort von der grim-
    migsten Angst gepackt. ›Unter sich‹ ist eigentlich nicht der
    richtige Ausdruck, es wäre besser zu sagen ›um sich‹, denn
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    für einen auf sehr hohem Punkt befindlichen Beobachter
    erscheint es, als ob der Abgrund ihn von allen Seiten um-
    gäbe, und der Horizont weicht dabei gleichsam zurück,
    ohne daß man je seine Grenzen erreichen könnte.
    Physikalisch erklärte sich Frycollin diese Erscheinung
    sicherlich nicht, aber er fühlte sie moralisch. Das genügte
    aber schon, um in ihm die ›Angst vor der Leere‹ zu erzeu-
    gen, deren sich manche, sonst ganz mutige Naturen nicht
    entziehen können.
    Jedenfalls erging sich der Neger aus Klugheit nicht in
    den gewohnten Klagen. Mit geschlossenen Augen tastete
    er sich nach seiner Kabine zurück, entschlossen, diese für
    lange Zeit nicht wieder zu verlassen.
    Von den 373.895.343 Quadratkilometer,* welche die
    Oberfläche der Meere einnehmen, entfällt über ein Viertel
    auf den Atlantischen Ozean. Es schien aber gar nicht, als ob
    der Ingenieur jetzt besondere Eile habe, wenigstens hatte
    er nicht Befehl gegeben, den Aeronef mit voller Geschwin-
    digkeit arbeiten zu lassen. Übrigens hätte dieser auch die
    Fahrgeschwindigkeit wie über Europa hin nicht erreichen
    können. In den Gegenden, in denen der Südwestwind vor-
    herrscht, lief er diesem fast entgegen, und obwohl er nur
    schwach zu nennen war, so bot der Apparat ihm doch eine
    große Angriffsfläche.
    Die neuesten und auf eine große Anzahl von Beobach-
    * Die Oberfläche des festen Landes beträgt 136.055.371 Quadrat-
    kilometer.
    — 218 —
    tungen gestützten meteorologischen Arbeiten haben eine
    gewisse Konvergenz der Passate, entweder nach

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