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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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Gespräche zu führen, um Probleme zu verhindern. Probleme sollen regional gelöst werden.«
    Überhaupt: Die Rocker wollen sich jetzt angeblich viel intensiver austauschen, wie Hanebuth später noch einmal betont: »Wir müssen mehr miteinander reden.« Ausgerechnet sie, die verbale Konfliktbewältigung bislang gerne als »Quatschi-Quatschi« abtaten und sich in den vergangenen Jahren einen ebenso blutigen wie erbarmungslosen Kampf geliefert hatten – ohne viele Worte.
    Da wurden ihre »Brüder« auf offener Straße erschossen, da schlugen sie sich gegenseitig Beile oder Macheten in die Körper, stachen immer wieder mit Messern zu, warfen Handgranaten in feindliche Clubheime. »Turbulenzen« nennt Anwalt Fromberg das nun, »Revierkämpfe« hieß es bei der Polizei, und von »Krieg« sprachen Rocker, wenn man ihnen versicherte, ihre Namen nicht zu veröffentlichen, und natürlich die Journalisten. Mancher Biker bekannte damals schon freimütig, dass ihm die schlechte Presse zunehmend auf die Nerven ging.
    »Wir haben keine Lust mehr, ständig und grundsätzlich als Kriminelle dargestellt zu werden«, sagte Michael Mnich von den Bandidos. »Das muss aufhören.« Und deshalb wollen die Gangs mit dem Friedensschluss nicht nur ihr Image aufpolieren, sondern sich wohl auch die bei schweren Gewaltdelikten anrückende Polizei vom Leib schaffen. Ein Kriminalist, seit Jahren mit der Szene befasst, erklärt zu der plötzlichen Verständigungsbereitschaft: »Die Rocker scheinen erkannt zu haben, dass sie sich in den fortwährenden Auseinandersetzungen aufzureiben drohten und ihnen immer weniger Gelegenheit blieb, Geld zu verdienen.«
    Jetzt also ist Frieden, vor geschätzt 40 Journalisten verkündet und per Handschlag besiegelt, ausgerechnet einen Tag ehe in Hamburg die Innenminister zusammenkommen, um unter anderem auch über ein entschiedenes Vorgehen gegen die Szene zu sprechen. »Das ist rein zufällig«, behauptet Fromberg. In den Vereinen hört man jedoch Gegenteiliges: Man habe keine Angst, vor nichts und niemandem, sagen sie da, aber Sorge, ja, habe man schon.
    Ohne seine Kutte, ohne seine Armee im Rücken wäre mancher Biker nur noch halb so bedrohlich – insofern ist Ruhe nun erste Rockerpflicht. Viele Ermittler sind allerdings ob der inszenierten Gang-Verständigung empört. In ihren Augen teilen da vor den Augen der Öffentlichkeit zwei kriminelle Banden ganz unverhohlen die Republik untereinander auf und niemand stört sich daran.
    Im Winter 2008 – nach dem Mord an dem Hells Angel Robert K. und dem Prozess gegen seine Killer – hatten die Clubs schon einmal einen Waffenstillstand vereinbart. Damals allerdings scheiterte die Abmachung an dem kaum beherrschbaren Temperament zweier Männer, die in Duisburg aufeinandertrafen. Aus den tödlichen Schüssen des Hells Angels Timur A. auf den Bandido »Eschli« Elten entstand die nächste Serie von Anschlägen und Racheakten.
    Diesmal aber soll angeblich alles anders sein. Auf die Frage, wie ernst die Kuttenträger ihren Friedensschwur nehmen, den sie juristisch genau als »Abkommen zur Beilegung eines Konflikts« bezeichnen, antwortet Hells-Angels-Chef Frank Hanebuth seinerzeit mit einer Gegenfrage: »Wir haben früher schon zusammen gefeiert und kennen uns seit Jahren, warum sollte da wieder Stress entstehen?«
    Und Bandido-Boss Maczollek sagt, vielleicht etwas weniger optimistisch als sein Rivale: »Ja, es wird wieder rappeln irgendwo, aber dann muss der Club denjenigen entsorgen.« Entsorgen? »Ruhigstellen.« Ruhigstellen? »Rausschmeißen!«
    Der erste Verstoß
    Doch den Frieden zu wahren ist gar nicht so einfach. Denn in Hannover, als die Rocker die Republik unter sich aufteilten, hat niemand die Hochrisikozone Berlin erwähnt. Sieben Chapter der Bandidos und drei Charter der Hells Angels machen die Hauptstadt zum Pulverfass, trotz Friedensvertrags. Bandidos und Hells Angels fühlen sich wie Kapitäne ohne Schiff oder wie Zuhälter ohne Prostituierte, wenn sie in einem Gebiet nicht das alleinige Sagen haben. Es ist unvereinbar mit ihrem Selbstverständnis. Ein gewaltfreies Nebeneinander von Bandidos und Hells Angels in Berlin ist so realistisch wie eine Pilgerreise des Papstes nach Mekka.
    Und so dauert es keine elf Monate, bis sich in der Hauptstadt die beiden Erzfeinde wieder attackieren. Am 21. April 2011 schlendern fünf Bandidos aus dem Vorort Henningsdorf, darunter der Bandenboss Thorsten S., durch die Einkaufspassage Borsighallen im Nordwesten Berlins.

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