Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Hauptproblem ist«, konstatieren die Denker unter den Rockern, »dass wir mit der Presse nicht in einer angemessenen Weise zusammenarbeiten.« Weiter behaupten sie:
Die Polizei hat einfach den größten Teil der Presse übernommen, und wir haben die einzige Plattform, auf die wir uns hätten konzentrieren sollen, unseren schlimmsten Gegnern überlassen. Mit den Medien zu reden und umzugehen (in einer kontrollierten Weise) ist der einzige Weg, wie wir überhaupt aus dieser Situation noch herauskommen können. (…)
Es ist essenziell, dass wir anfangen, in den Medien zurückzuschlagen. Wir wissen, dass sie versucht haben, uns zu ficken, (…) aber das ist der einzige Weg, um die Übergriffe und Razzien zu stoppen. Wir müssen jeden Weg nutzen, den wir finden können, damit dieser Teil des Theaters funktioniert.
Was als Rockerkrieg, ausgetragen mit Fäusten und Waffen aller Art, begonnen hat, ist längst ein Kampf um die Meinung der Öffentlichkeit geworden. Auch Polizei und Polizei haben ihn aufgenommen.
Die Polizei: Alles auf Alarm
Als im September 2009 in Düsseldorf der Hells Angel Michael F. seine Verlobte ehelicht, knattern 150 Rocker in die Altstadt. Und obschon die Höllenengel dort bereits seit vielen Jahren als kriminelle Vereinigung verboten sind, bewegen sich die Kuttenträger doch mit größter Selbstverständlichkeit in der Metropole am Rhein – unter den Augen einer Hundertschaft Polizisten. Ja ein Sprecher der Polizei entblödet sich anschließend nicht, einer Lokalzeitung Folgendes über das Entgegenkommen der Ordnungshüter während der Rockersause zu sagen: »Wir haben für die Jungs gerne den Verkehr geregelt – wie das eben bei Hochzeiten so üblich ist.«
Im Grunde genommen ist die Haltung, die sich in diesem naiven Satz ausdrückt, beispielhaft für den jahrelangen Umgang der Behörden mit den Motorradclubs. Zwar mag es einige Experten in den verschiedenen Dienststellen für Organisierte Kriminalität geben, die sich mit Rockern auskennen und ahnen, welche Gefahr von ihnen ausgeht. An der Spitze und in der Breite der Sicherheitsbehörden folgt man aber ganz anderen Prioritäten.
Und das schlägt sich auch in der Pressearbeit der Polizei nieder. Die meisten Straftaten der Motorradgangs finden damals keinen Weg in die Öffentlichkeit, weil sie entweder im Behördenapparat nicht als Delikte von Rockern registriert und dementsprechend weitergeleitet werden oder weil die jeweiligen Pressesprecher die Vorgänge für nicht spannend genug halten, um sie der Journaille bekannt zu machen. Selbst Jahre später verschicken die Ämter noch Meldungen wie diese:
»Gegen 04.44 Uhr fielen heute in der Altstadt (…) Schüsse. Es gab keine Verletzten. Die Polizei nahm einen 29-jährigen Mann fest. Der polizeilich bekannte Duisburger wird wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz dem Haftrichter vorgeführt. Die Polizei ermittelt nun die Tathintergründe.«
Dass der Schütze den Hells Angel angehört und in der Nähe des Bandidos-Clubhauses herumgeballert hat, verschweigt die Polizei. Motto: Bloß keine schlafenden Hunde wecken!
Doch unter dem Druck des Medieninteresses und der daraus resultierenden politischen Debatte verändert sich allmählich der Umgang der Ermittler mit den Bikern. Zunächst verschwindet der Rockersprech aus den offiziellen Verlautbarungen: Jetzt ist nicht mehr vom »Präsidenten« eines Clubs die Rede, sondern vom »Anführer«, nicht mehr von einem »Chapter«, sondern von einer »Bande«.
Zugleich bietet der Staat Hundertschaften und Spezialeinsatzkommandos auf, um seine Handlungsfähigkeit zu beweisen. Großeinsätze gegen die Szene werden intensiv von der Presse begleitet – und im Jahr 2012 hagelt es schließlich so viele Vereinsverbote, dass die Rocker einige etablierte Clubs in vorauseilendem Gehorsam selbst schließen. Zeitweilig scheint es, als genieße keine Frage der inneren Sicherheit eine höhere Priorität als die, wie man gegen die Motorradgangs vorgehen kann.
Die Pressearbeit spielt dabei für die Polizei seit geraumer Zeit eine entscheidende Rolle. Wie aus der vertraulichen »Rahmenkonzeption« einer Bund-Länder-Projektgruppe aus dem Oktober 2010 (» VS – Nur für den Dienstgebrauch«) hervorgeht, stufen die Sicherheitskräfte ihre »Öffentlichkeitsarbeit« als »Schlüsselfaktor« im Kampf gegen die Biker-Kriminalität ein.
Dabei komme es darauf an, heißt es in dem Dokument, die »Rolle und die Aufgabe der Polizei« zu verdeutlichen, »Verständnis
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