Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Und plötzlich prallen sie vor dem Media-Markt auf einige Hells Angels des brutalen Migranten-Charters »Berlin City«. Die Männer werden angeführt von Ersoy »Chucky« Padir, dem korpulenten Bruder des Charter-Chefs Kadir Padir. Die Überwachungskameras halten sodann fest, wie die Höllenengel einen Bandido attackieren. Die Aggression geht eindeutig von den Hells Angels aus. Vergeblich versucht der oberste Bandido Thorsten S., die Angreifer zu beruhigen.
Ermittler des Landeskriminalamts wollen später auf dem Video erkennen, wie »Chucky« ein Messer zieht, wahrscheinlich um auf seinen Gegner einzustechen. Warum die Höllenengel diesmal auf die Rivalen losgehen, bleibt unklar, vielleicht gibt es auch gar keinen besonderen Grund. Rechtsstaatlich aufgeklärt wird auch diese Attacke nicht.
In Hannover hat Deutschlands oberster Bandido Peter Maczollek noch verkündet, dass nach einem Zwischenfall der Aggressor von seinem Club »entsorgt« werden müsse. Es war auf höchster Ebene eindeutig vereinbart worden, wie derartige Vorfälle zu ahnden sind: Die Rockerfürsten hatten sich versprochen, Friedensbrecher aus der Gang auszuschließen.
Ein hochrangiger Bandido formuliert dementsprechend die clubinterne Erwartungshaltung nach der Attacke in der Einkaufspassage: »Für uns ist sonnenklar, dass die Hells Angels die Angreifer aus dem Club werfen müssen.« Doch offenbar ist das den Höllenengeln nicht ganz so klar.
Und so übersteht der Pakt von Hannover noch nicht einmal den ersten Stresstest. Aus Polizeikreisen heißt es später, dass sich Kadir Padir, der mächtige Anführer des Charters »Berlin City«, schlicht geweigert habe, seinen Bruder aus der Bande zu entfernen. Demnach artet der Vorfall zu einem regelrechten Machtkampf innerhalb der Hells Angels aus. Einflussreiche und gestandene Rocker fordern, Ersoy Padir mit einem Ausschluss zu bestrafen. Schließlich gehe es um die Glaubwürdigkeit des gesamten Clubs. Doch die Migrantenrocker in Berlin vertrauen auf ihre exponierte Position, die sie sich mit brutalster Gewalt erstritten haben. Den Forderungen der Alten wollen sie sich nicht beugen, Blut ist dicker als Wasser: »Wenn ihr meinen Bruder rausschmeißt«, soll Gangchef Kadir Padir gedroht haben, »gehe ich zu den Mongols. Dann habt ihr jeden Tag Sportfest.«
Zum ersten Mal wird in diesem Moment deutlich, dass die seit Jahrzehnten überlieferten Regeln der Clubs für die jungen Wilden nicht mehr uneingeschränkt zu gelten scheinen. Das Interesse der Banden, bislang auch gegen den Willen Einzelner stets durchgesetzt, muss in diesem Fall zurückstehen. Wenn man so will, ist das der Moment, in dem aus Brutalität und Skrupellosigkeit resultierende Macht eine jahrzehntealte Tradition bezwingt.
In den folgenden Monaten kommt es in Berlin zu immer mehr Überfällen und Attacken. Mit Fäusten, Messern und mit Pistolen gehen Männer aufeinander los, viele werden dabei verletzt. Häufig scheinen die Hells Angels vom Charter »Berlin City« auf die eine oder andere Weise mit den gewaltsamen Auseinandersetzungen zu tun zu haben, doch nachweisen können ihnen die Ermittler meist nichts. Und auch ihr Club vermag sie nicht in die Schranken zu weisen. Eines wird dadurch immer deutlicher: Mit diesen Typen lässt sich kein Frieden machen.
Duisburg – die umkämpfte Stadt
Ein weiterer Brennpunkt des Bandenkriegs ist Duisburg. In dem ebenso großen wie umsatzstarken Rotlichtviertel der Stadt stehen sich die verfeindeten Banden seit Jahren auf den Füßen, und nicht zufällig stirbt hier der Bandido »Eschli« Elten im Kugelhagel.
Das Clubhaus der örtlichen Bandidos liegt in der Charlottenstraße, und nur wenige hundert Meter entfernt, in der Vulkanstraße, arbeiten in den dortigen Puffs zahlreiche Männer aus dem Dunstkreis der Hells Angels als Aufpasser und Wirtschafter. In dieser Gegend liegt immer eine gehörige Spannung in der Luft, und die ist nicht nur der Aufgeregtheit zahlreicher Freier geschuldet.
So verzeichnet die Duisburger Kriminalpolizei auch nach dem öffentlich verkündeten Friedensschluss der Rockerfürsten fortwährende Scharmützel der Horden:
Im April 2011 wird ein Unterstützer der Bandidos auf sein T-Shirt angesprochen und zusammengeschlagen.
Am 24. April 2011 bleiben zwei Bandidos im Stadtbezirk Hamborn mit dem Auto liegen. Sofort sind sie umringt. Die Scheiben des Wagens werden zertrümmert und die Rocker verprügelt – von »Supportern« der Hells Angels mit »türkischem
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