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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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verschärfend auswirkten«.
    Die Polizei ist in höchster Alarmbereitschaft. »Wir stehen richtig unter Strom«, sagt ein Ermittler. »Der Einsatz von Schusswaffen und Sprengstoff zeigt, dass die Gewaltbereitschaft in der Szene immens ist.« Bei mehreren Großrazzien stellen Beamte unter anderem Teleskopschlagstöcke, Baseballschläger, Stahlruten, Axtstiele und Messer sicher. Auch zahlreiche Testosteron-Ampullen sowie eine Mitgliederliste des Hells Angels MC beschlagnahmen die Kriminalisten. Keine zwei Jahre nach dem Rocker-Gipfel in Hannover ist der Frieden endgültig dahin.

KAPITEL 14 GEWALT UND GEGENGEWALT
    Der Staat greift durch
    Rocker-Republik Deutschland
    T he world is not enough«, lautet ein Slogan der Hells Angels – und wenn sie ihn tatsächlich jemals ernst genommen haben, dann konnten sie mit der Situation in Deutschland lange Zeit durchaus zufrieden sein. Hier büßten sie nämlich im Laufe der Jahrzehnte nur wenige organisatorische Kapazitäten ein, die sie für eventuelle Welteroberungsabsichten benötigt hätten. Ganze zwei Mal wurden in der Vergangenheit Ableger des Clans von Staats wegen geschlossen: 1983 in Hamburg und 2000 in Düsseldorf.
    Doch diese behördliche Nachsichtigkeit ist nicht unbedingt darauf zurückzuführen, dass die Höllenengel sich in deutschen Landen besonders zivil verhalten hätten. Mitglieder der Hells Angels seien, so befand das Bundesverwaltungsgericht 1988 nach einer Klage des Clubs gegen das Hamburger Verbot, im Namen der Gang »massiv und gewalttätig in der Öffentlichkeit in Erscheinung« getreten und hätten »dadurch weitere Straftaten« ermöglicht, »bei denen Außenstehende eingeschüchtert und gefügig gemacht wurden«. Nein, für die Zurückhaltung des Rechtsstaats war wohl eher ausschlaggebend, dass das Verbot eines Vereins in Deutschland ein schwieriger verwaltungsrechtlicher Vorgang ist, mit dem die Politik lange Zeit sehr sparsam umging. Dazu reicht es eigentlich nicht aus, die individuellen Verfehlungen der Clubmitglieder aufzuaddieren.
    »Wesentlich ist der Nachweis, dass die Straftaten des einzelnen Mitglieds dem Clubzweck dienen und das Delikt dem Verein in seiner Gesamtheit zuzurechnen ist«, heißt es in einer vertraulichen »Konzeption zur Bekämpfung der Rockerkriminalität« des baden-württembergischen Landeskriminalamts. Und damit taten sich die bundesdeutschen Behörden lange Zeit schwer, vielleicht auch weil sie anderen Prioritäten zu folgen hatten. Nach dem 11. September 2001 verschlang der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus einen Großteil der Kapazitäten.
    Juristische Grundlage eines Vereinsverbots ist der Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes. Grund für die Schließung eines Clubs, die vom Innenminister oder einer obersten Landesbehörde ausgesprochen werden kann, ist demnach, dass seine »Zwecke oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen« oder er »sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet«. Damit einhergehend wird in der Regel das Vereinsvermögen beschlagnahmt.
    Allerdings sind Vereinsverbote in ihrer polizeilichen Wirksamkeit umstritten. »Dass sich damit die kriminellen Machenschaften von Rockern unterbinden lassen, ist ein Irrglaube«, so Joachim Kersten, Kriminologe an der Deutschen Hochschule der Polizei. »Es handelt sich schließlich nicht um einen Kaninchenzüchterverein, sondern um eine äußerst gewalttätige und rabiate Szene«, erklärt der Experte.
    »Diese Kerle haben in der Schattenwirtschaft ihren Status gefunden«, sagt Kersten. Sie legten ihr Gehabe nicht ab und ließen auch ihre Geschäfte nicht ruhen. Solange sich zudem mit Menschenhandel oder Prostitution illegal Geld verdienen lasse, sei ein »Ausmerzen« krimineller Strukturen durch Verbote nicht möglich. Schlössen Behörden einige Rockerclubs, habe das nicht zur Folge, dass die Männer ihre Kutten an den Nagel hängten. Vielmehr wichen sie ins Umland aus und sortierten sich dort neu. Das aber könne ein demokratischer Rechtsstaat nicht verhindern, so Kersten.
    Genauso kam es nämlich auch in Hamburg und Düsseldorf. Zwar verzichteten die Höllenengel der Hansestadt nach dem Verbot darauf, sich öffentlich in ihren Clubwesten zu zeigen, und verlegten das Vereinsheim ihres neuen Charters »Harbor City« ins Mecklenburgische. Doch wenn heute rund um den Hans-Albers-Platz von »Rot-Weiß« die Rede ist, wissen die allermeisten, dass damit keine Pommes frites gemeint sind. Auf der Reeperbahn

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