Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Friedenszeiten überschwemmten dann viele dieser Maschinen den US -Markt. Für ein paar Dollar gibt es nun den Zwei-Zylinder-Traum für jedermann in sattem Olivgrün oder Dunkelbraun.
Nicht alle Biker, die an diesem ersten Juliwochenende 1947 nach Hollister strömen, sind Mitglieder in der ehrwürdigen AMA . Angereist sind auch Clubs, die ihre Gesinnung schon im Namen tragen. Sie nennen sich Satans Sünder, die Pissed Off Bastards of Bloomington oder die Motherfuckers. Alles Typen, die eher auf Randale aus sind als auf harmlose Kunststückchen. Aus diesen Gangs werden später die Hells Angels hervorgehen.
Unter den Besuchern tummeln sich ehemalige Soldaten. Junge Kerle, die drei Jahre zuvor in der Normandie gelandet sind, in Schützengräben gehockt und einen mörderischen Feldzug gegen Hitlerdeutschland geführt haben. Jetzt wollen sie sich amüsieren, den Krieg vergessen und feiern mit Männern, die, so wie sie, Freunde im Kampf verloren haben. An diesem Wochenende prallen in der amerikanischen Provinz zwei Welten aufeinander. Die Daheimgebliebenen, die sich während des Krieges um Frau, Kinder und Weizenfelder kümmerten, und die traumatisierten Soldaten.
Hollister ist auf den Ansturm der Vergnügungssüchtigen, die auf ihren Motorrädern durch die Kleinstadt heizen, nicht vorbereitet. Alkohol fließt in Strömen. Die kriegserprobten Nachwuchs-Biker, die mit ihren Lederjacken, Stiefeln und umgekrempelten Jeans aussehen wie zu früh geborene Rock ’n’ Roller, fahren mit ihren Maschinen mitunter durch die Kneipentüren bis an den Tresen. Es kommt zu wilden Schlägereien, Mobiliar geht zu Bruch. Zu viel für die sieben Polizisten der Stadt, sie bekommen den Mob nicht unter Kontrolle.
Schnell schafft man eine Band heran, die auf der Hauptstraße spielen und die Biker beschäftigen soll. Die Polizei von Hollister fordert Verstärkung an, und als die endlich da ist, setzt sie Tränengas ein. 59 Personen werden festgenommen. Über die Vorkommnisse berichtet einzig die Lokalpresse. Knapp drei Wochen später scheint sich alles wieder beruhigt zu haben, doch da wird ein Foto veröffentlicht, das zur Ikone einer ganzen Biker-Generation geraten soll.
Ein Foto schreckt Amerika auf
Unter der Überschrift »Er und seine Kumpels terrorisieren eine Stadt« erscheint am 21. Juli 1947 im »Life«-Magazin ein Bild des Fotografen Barney Peterson vom »San Francisco Chronicle«. Zu sehen ist ein offensichtlich sturzbetrunkener Biker, der inmitten zerbrochener Bierflaschen auf einer Harley-Davidson EL Knucklehead entspannt vor sich hin säuft.
Die Nachrichtenagentur AP verbreitet den Schnappschuss weltweit. Jahrzehntelang bleibt unklar, wie dieses Foto genau entstand. Im April 1997 machen sich die »American Rider«-Autoren Jerry Smith und Buzz Buzzelli auf den Weg nach Hollister, um Zeugen der Nacht zu befragen. Tatsächlich finden sie den Mann, der auf dem Foto hinter dem Biker inmitten der zerbrochenen Bierflaschen steht.
Es ist Gus De Serpa, ein Filmvorführer aus dem örtlichen »Granada«-Kino. De Serpa hatte gegen 23 Uhr Feierabend, wie er sich erinnert. »Meine damalige Frau und ich gingen in die Stadt, um uns den ganzen Trubel anzusehen – dabei gerieten wir inmitten all dieser Leute. Sie waren auf dem Bürgersteig, da war auch ein Fotograf. Sie begannen, mit den Füßen Bierflaschen zusammenzukratzen, wissen Sie, so von der einen Seite auf die andere. Dann nahmen sie ein Motorrad und stellten es direkt in die Glasscherben.«
Der Mann, der auf dem Motorrad posierte, kam wohl aus einer Bar. »Sie haben ihn einfach überredet, sich auf das Motorrad zu setzen. Ich sagte zu meiner Frau: ›Das ist nicht richtig, das sollten sie nicht machen. Lass uns hinter ihnen stehen, damit sie das Foto nicht machen können.‹ Ich nahm an, dass sie das Foto nicht machen würden, wenn ich hinter ihnen stand. Aber er machte trotzdem eine Aufnahme, er hat’s gemacht, es war ihm egal.«
Auf einem zweiten Bild des Fotografen Barney Peterson, das nie veröffentlicht wurde, kann man erkennen, dass De Serpa recht hat und die Szene offensichtlich arrangiert wurde. Bierflaschen stehen ordentlich neben dem Biker, der jetzt auch eine Jacke mit den Insignien der »Tulare Raiders« trägt, eines lokalen Motorradclubs. Einem Gerücht zufolge soll es sich bei dem angeblichen Biker um Eddie Davenport, Spitzname »Maurice«, handeln. Unklar ist bis heute, ob Eddie überhaupt ein Motorrad besessen hat. Barney Peterson, den Fotografen, kann man
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