Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
nicht mehr fragen. Er ist vor ein paar Jahren gestorben.
Nicht zuletzt wegen des Erfolgs dieses Fotos, das 1947 um die Welt geht, geraten die Ereignisse von Hollister nicht in Vergessenheit. 1953 werden sie unter dem Titel »The Wild One« verfilmt. In der Hauptrolle: Marlon Brando, verwegen mit Lederjacke, Sonnenbrille und jeder Menge Sexappeal.
Ein Jahr später gibt es in Riverside, Kalifornien, wieder ein von der AMA organisiertes Bikertreffen und wieder jede Menge Ärger. Der Polizeichef des Ortes beschreibt die Vandalen das erste Mal in der Öffentlichkeit als »Outlaws«, als Gesetzlose. Linton A. Kuchler, der damalige Sekretär der American Motorcyclist Association, stellt sich natürlich auf die Seite der gesetzestreuen Biker und teilt gegen die Krawallos aus: »Die üblen Fahrer sind vielleicht ein Prozent von allen Motorradfahrern, nur ein Prozent sind Rowdys und Unruhestifter.«
Bis heute sind die Motorradgangs weltweit stolz auf die Bezeichnung »Outlaws«, denn sie entspricht ihrem subkulturellen Selbstverständnis. Fast genauso wichtig für sie ist die Titulierung als »One Percenter«. Das klingt nach Elite, nach Auserwähltsein. Im Umkehrschluss bedeutet es auch, dass 99 Prozent der Menschheit stinknormal sind.
Glaubt man der Biografie von George Wethern, dem Vize-Präsidenten der Hells Angels »Oakland«, erfanden er und seine Motorradclub-Brüder 1960 auf einer rauschenden Biker-Party das sogenannte »1%er«-Abzeichen. Bis heute will es jeder Outlaw-Biker tragen. Wethern und Sonny Barger, zwei einflussreiche Figuren aus der Anfangszeit der Hells Angels, von denen gleich noch die Rede sein wird, ließen es sich sogar in Richs Tätowierstudio unter die Haut stechen.
Hells Angels und ein knackige Blondine
Über die Entstehungsgeschichte und den Ursprung des Namens »Hells Angels« streiten Historiker, Soziologen und Journalisten auf der einen und die Rocker auf der anderen Seite. Es gibt, haben wir gesehen, ein paar Tatsachen. Dazu gibt es aber auch jede Menge Vermutungen.
Liest man, was die Hells Angels selbst über ihre Geschichte schreiben, so könnte man annehmen, dass sie in gerader Linie von amerikanischen Bomberpiloten des Zweiten Weltkriegs abstammen. Seitenlang wird in Publikationen der Gang darüber referiert, dass Hells Angels als Flieger heldenhaft, erfolgreich und tapfer waren. Das mag ja stimmen, nur fragt man sich, was das mit dem Motorradclub zu tun hat? Nichts, wenn man seriösen Quellen glaubt. Denn unter den Gründern des Clubs ist kein Pilot bekannt.
Der Name Hells Angels dürfte wohl eher auf einen Film von Howard Hughes zurückgehen. Der exzentrische Multimillionär, dessen Leben Hollywood-Regisseur Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle vor einigen Jahren ebenfalls auf die Leinwand brachte, verfilmt 1930 die Erlebnisse von Kampffliegern im Ersten Weltkrieg.
Diese Flieger wiederum nehmen sich dann amerikanische Piloten im Zweiten Weltkrieg zum Vorbild, die als Freiwillige an der Seite der Chinesen um General Chiang Kai-shek kämpften. Es gilt, die Japaner in die Knie zu zwingen, die mit dem Überraschungsangriff auf die US -Basis Pearl Harbor den Krieg im Fernen Osten begonnen haben.
Als »Flying Tigers« gelangen diese Piloten später zu einigem Ruhm, und sie sind es auch, die sich – wohl als Erste – große Embleme auf die Rückseite ihrer Lederjacken nähen. Sollten sie abgeschossen werden, so die Überlegungen der Flieger, wären sie als Freunde, als Waffenbrüder der Chinesen erkennbar. Ursprünglich ist das Patch also ein »Blood Chit«, ein Rettungsaufnäher im Krieg.
Die »Flying Tigers« bestehen aus drei Staffeln. Den »Pandabären«, »Adam und Eva« und den »Hell’s Angels«. Zu den Eigenarten der Bomberstaffeln gehört es auch, sich ein Logo auf die Maschine zu malen. Die Angels wählen eine spärlich bekleidete Blondine, einem Engel gleich, als Glücksbringer.
An einen Motorradclub denken diese Piloten nicht. Bevor sich Jahre später die Hells Angels als Biker zusammenschließen, begründen sie erst einmal ihren Ruf als Gesetzlose.
»Bye-bye, ihr Wichser – wir sehen uns im Himmel«
Ende der vierziger Jahre etablieren sich in den USA immer mehr Motorradclubs. Es gibt noch keine Helmpflicht, man kann beim Fahren rauchen, und die Mädels stehen auf die Burschen mit ihren knatternden Kisten. In den Bars spielen für ein paar Cent Jukeboxen die ersten schnellen Lieder. Ein zartes Grün schimmert um das Fenster, hinter dem der
Weitere Kostenlose Bücher