Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
unternehmen hätten. Die »Angler« genannten Hells Angels dürften nicht ungestraft davonkommen, argumentieren die Bandidos-Bosse.
Doch die geprügelten Rocker sind das ewige Hin und Her wohl leid, vielleicht hatten sie sich das Outlaw-Dasein auch einfach glamouröser und weniger schmerzhaft vorgestellt, jedenfalls treten sie lieber aus dem Club aus, als eine Vergeltungsaktion gegen die Feinde vorzubereiten. Die Führung belegt sie deshalb mit einem »out in bad standing«, was in der archaischen Rockerwelt bedeutet, dass man Freiwild ist, Abschuss ausdrücklich erwünscht.
Nur einer mag der Bande noch immer nicht seinen geschundenen Rücken zuwenden: Heino B. Der ehemalige Präsident der Bandidos »Bremen« will die Kutte partout nicht an den Nagel hängen und wechselt lieber als Mitglied auf Probe ins Chapter »Osnabrück«. Doch so viel Loyalität zum Club wird dort nicht etwa mit Anerkennung belohnt. Vielmehr sieht sich B. nunmehr fortwährend dem Spott seiner vermeintlichen Freunde ausgesetzt. Zitat aus einer Gerichtsakte: »Hast du keine Eier in der Hose?«
Schon bald wird dieses Rocker-Mobbing tödliche Folgen haben.
Mord im Münsterland
Mit den Inhalten trutschiger »Tatorte«, wie sie im Fernsehen immer wieder sonntags den Deutschen einen wehrhaften Rechtsstaat vorgaukeln, hat der Kriminalfall, der im Frühjahr 2007 das Münsterland erschüttert, nicht viel gemein. Vielmehr wird hier zum ersten Mal seit Jahrzehnten deutlich, welch ein Geflecht der Organisierten Kriminalität sich unter der Oberfläche vermeintlicher Gutbürgerlichkeit im Laufe der Zeit hat ausbreiten können.
Am 23. Mai treffen sich morgens, kurz nach 7 Uhr, der degradierte Bandido-Anführer Heino B. und der ehrgeizige Rocker-Anwärter Thomas K. auf einem Parkplatz im westfälischen Ibbenbüren. Zusammen steigen sie in einen schwarzen Kia Carnival II mit getönten Scheiben, silberfarbenen Seitenschwellern, Rammschutz und dem amtlichen Kennzeichen HB RX 735, der auf die Ehefrau des Bremers B. zugelassen ist. Dann macht sich das Killerkommando auf den Weg.
Unterdessen fährt der Hells Angel Robert K., 47, wie jeden Morgen um Viertel nach acht mit seinem Ford Pick-Up vor dem Geschäft »V-Team American Bikes« in Ibbenbüren vor. Er öffnet die Türen seines Ladens, lässt sie zum Lüften offen stehen, geht hinein und kocht Kaffee. Noch ist K. alleine mit den Modellen schwerer amerikanischer Motorräder, die er seit Jahren verkauft.
Die Umsätze sind in der jüngsten Zeit etwas zurückgegangen, was wohl auch an dem Entschluss lag, den der zweifache Familienvater im Jahr 2001 getroffen hat. Damals löste sich sein Motorradclub, die Free Eagles »Greven«, auf, so dass der eine Teil der Harley-Liebhaber die Bandidos »Münster« gründen konnte.
Der andere Teil aber, und zu ihm zählte auch K., wechselte zu den Bremer Hells Angels. Plötzlich waren die Männer keine Kumpels und damit auch keine Kunden mehr, sondern wurden zu Gegnern. Und Robert K.s westfälische Heimat wurde für ihn zu feindlichem Territorium.
Ein ehemaliger Bandido aus Münster wird später vor Gericht aussagen, Robert K. sei für sie immer eine Art »Joker« gewesen, also jemand, auf den man leicht zurückgreifen konnte, wenn man sich in seiner kruden Rockerlogik wieder für irgendetwas rächen musste. K. wohnte ja in der Nähe.
So stürmte im Januar 2004 ein Trupp Bandidos den Ibbenbürener Motorradladen und schlug dessen Besitzer mit Baseballkeulen zusammen. Robert K. wiederum soll nach Auffassung der Ermittler an dem ebenso brutalen Überfall auf Heino B. und Konsorten im März 2006 in Stuhr beteiligt gewesen sein.
Jedenfalls bemerkt der Hells Angel K. Anfang Mai 2007, wenige Wochen vor seinem Tod, dass die Bandidos ihn auskundschaften. Ein Rocker, der die verhasste Kutte trägt, lässt sich vor K.s Haus im westfälischen Mettingen blicken. K. stürzt in seinen Pick-Up und verfolgt den Widersacher, bis der an einer Ampel halten muss. K. spricht ihn an, doch der Kontrahent schweigt und fährt auf seiner Harley bei Grün davon. Robert K. notiert sich das Kennzeichen. Es lautet ST TG 8.
Jürgen K. wiederum, ein Beamter der Autobahnpolizei, ist anschließend so freundlich, für den Hells Angel Robert K. in der behördlichen Datenbank Zevis nachzusehen, wem das Motorrad gehört. Das Ergebnis lautet: Thomas K., 49492 Westerkappeln. Der Höllenengel schreibt sich die Daten auf und verstaut sie in seinem Portemonnaie, das er auch im Moment seines Todes bei sich tragen
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