Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Bandidos-Chapter in Deutschland entstand Ende der neunziger Jahre, kurz nachdem der Motorradclub Bones zu den Hells Angels übergetreten war. Daraufhin wandten sich die gelben Ghostrider an die skandinavischen Bandidos und baten um Aufnahme in deren Gang. Wenn man so will, war es ein erster Schritt der Globalisierung in der Bikerwelt. Angeblich mussten die Deutschrocker dafür ordentlich zahlen.
Die führende Figur der Bandidos in Deutschland ist Peter Maczollek, Jahrgang 1964, der lange das Bochumer Chapter anführte. Zudem ist er Stellvertretender Europa-Chef der Gang. Sein langjähriger Vertrauter Leslav Hause, Jahrgang 1962, dient ihm und dem Clan als Waffenmeister sowie als Mann fürs Grobe.
Um die deutschen Bandidos scharen sich zahlreiche Unterstützerclubs, die sich Chicanos, Gringos, X-Team oder La Honra nennen. Die langjährige Feindschaft zwischen ihrem Lager und den Hells Angels führt immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Toten und Schwerverletzten.
Zwar kann man den Männern nicht nachweisen, dass sie eine kriminelle Vereinigung sind, aber weil sie als e.V. firmieren, ist ein Verbot leicht durchzusetzen. Seit 1988 ist es rechtskräftig. Vorausschauend hatten die Rocker jedoch den Schriftzug »Germany« auf ihren Kutten schon vorher durch regionale Herkunftsbezeichnungen ersetzt. So wird nur das Charter in Hamburg verboten. Sonst wäre die Geschichte der Hells Angels wohl bereits Ende der achtziger Jahre zu Ende gewesen, zumindest hierzulande.
»When in doubt, knock them out«
Mitte der neunziger Jahre toben in Kanada schwere Auseinandersetzungen zwischen den Hells Angels und der Motorradgang Rock Machine. Die Brutalität übersteigt alles bisher Dagewesene: Mehr als 150 Menschen fallen dem Bikerkrieg in der Provinz Quebec zum Opfer. Doch auch wenn sie mit ihren Expansionsbestrebungen auf blutigen Widerstand stoßen, stecken die Hells Angels nicht zurück. Neben Kanada geraten auch andere Weltgegenden ins Visier.
Nach dem Verbot der Hamburger Hells Angels führen die Höllenengel in Deutschland jahrelang eine Nischenexistenz in der Rockerszene. Bis 1999 existieren nur fünf Charter mit insgesamt etwa 50 bis 60 Mitgliedern, doch dann greift auch in der Bikerszene die Globalisierung. Die Bundesrepublik soll endlich als Markt erschlossen werden.
Die Hells Angels suchen einen Verbündeten und finden ihn in dem Motorradclub Bones. Die Rocker mit den schwarzen Kutten und der Skeletthand auf dem Rücken sind stark, auch in Deutschland. Einer ihrer Anführer ist Frank Hanebuth, ein semiprofessioneller Schwergewichtsboxer, der zugleich auch die Rotlichtszene Hannovers unter Kontrolle hat.
Angesprochen wird Hanebuth von dem Berliner Holger »Hocko« Bossen, der als Statthalter der Hells Angels in Deutschland die Expansion vorantreiben soll. Nach langen Verhandlungen treten die Bones im November 1999 zu den Hells Angels über. Eine sogenannte »Patch Over«-Party wird gefeiert.
Es ist der entscheidende Schritt für die Weiterentwicklung der Hells Angels auf dem europäischen Festland. Auf einen Schlag sind die Höllenengel Deutschlands größte Gang – nach Ermittlerangaben haben sie rund 600 Mitglieder unter Waffen. Damit steht der Internationalisierung der Geschäfte nichts und niemand mehr im Weg. Jetzt kann richtig Kasse gemacht werden.
Damit auch dem letzten Amateurkriminellen klar wird, wo es in Zukunft langgeht, schalten die Hells Angels eine Anzeige im Szeneblatt »Bikers News«. Doppelseitig. »When in doubt, knock them out« – im Zweifel wird in Zukunft erst mal zugeschlagen.
Dem Machtgewinn der Höllenengel versuchen die US -Erzrivalen von den Bandidos lokal zu begegnen, also übernehmen sie die deutschen gelben Ghostrider. Spätestens jetzt ist das Bundeskriminalamt alarmiert, denn damit entsteht eine ausgesprochen heikle, weil instabile Architektur der Szene. Geboren ist ein Konflikt, der sich zu einem Krieg auswachsen wird.
KAPITEL 3 DER TOD DES ROBERT K.
Wie der Krieg beginnt
Die Gewaltorgie in Stuhr
D ie blutige Fehde, die später Rockerkrieg heißen wird, beginnt im Norden Deutschlands, in einer kleinen Stadt mit dem bezeichnenden Namen Stuhr, Ortsteil Brinkum. In der dortigen Gottlieb-Daimler-Straße haben sich – zwischen der Autobahn A1 und einigen wenig seriösen Kfz-Werkstätten – die Bandidos häuslich eingerichtet, sehr zum Missfallen der im benachbarten Bremen ansässigen Hells Angels, die einen unbedingten Besitzanspruch auf die Region
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