Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
veruntreut. Seine Kumpane fuhren deshalb bei ihm zu Hause in zwei Autos vor. »Man wollte meine Frau ›durchlassen‹, also verprügeln. Da fiel bei mir die Klappe.« D. ging zur Polizei und packte aus.
Die Details aus dem Innenleben des Rockerclubs, die D. unter den eiskalten Blicken der versammelten Kuttenträger im Landgericht wiederholt, zeichnen das Bild einer kriminellen Bande mit kleinbürgerlichen Zügen. Demnach zahlten die Münsteraner Bandidos eine Mitgliedsgebühr von monatlich 110 Euro, die teilweise per Lastschriftverfahren auf ein Gemeinschaftskonto bei der Sparkasse Greven ging. Daneben jedoch gab es laut D. eine sogenannte »Tomatenkasse«, in die »sämtliche Gelder aus den Geschäften mit Koks, Waffen und Frauen« eingezahlt worden seien. Im Mai 2007 hätten sich darin etwa 65000 Euro befunden.
Freimütig plaudert D. auch über die Maschinenpistolen, Handgranaten und abgesägten Schrotflinten der Bandidos. »Ich kannte keinen, der keine Waffe hatte«, so D. Einmal sei den Rockern sogar eine Panzerfaust zum Kauf angeboten worden, doch »es gab hier niemanden, der sich damit auskennt«.
Wenn sie Partys gefeiert hätten, sei ein Bandido eigens dafür abgestellt worden, vier Wochen vor dem Termin am Ort der Feier »Schießeisen« zu verstecken. Offenbar fürchteten die Rocker Attacken der konkurrierenden Hells Angels, die laut D. in Bandido-Augen der »Staatsfeind Nummer eins« waren.
Einmal habe er mit drei weiteren Bandidos, die mit einer Maschinenpistole und Schrotflinten ausgerüstet gewesen seien, »Jagd auf ›Angels‹ gemacht«. In der Nähe einer Autobahnauffahrt habe man sich in einem Opel Omega auf die Lauer gelegt. Als drei »Rot-Weiße« auf ihren »Mopeds« vorübergerollt seien, nahmen die Bandidos laut D. die Verfolgung auf. Sie hätten das Trio überholt und aus den geöffneten Fenstern gefeuert. »Gab es Verletzte oder Tote?«, fragt der Richter. D. weiß es nicht.
In den vergangenen Jahren haben sich D. zufolge Angels und Bandidos aus dem Westfälischen immer wieder gegenseitig krankenhausreif geschlagen. Mit Teleskopstangen, Pfefferspray und Messern seien sie aufeinander losgegangen. »Es war ein ewiges Hin und Her«, sagt der Aussteiger, den die Verteidiger der beiden Angeklagten im Gegensatz zur Polizei für unglaubwürdig halten. »Zu seinen Erinnerungen kommt offensichtlich jede Menge Phantasie«, so Rechtsanwalt Thomas Klein.
Für ihr krudes Verständnis von Ehre, Kameradschaft, Männlichkeit und Mut machen sich die Rocker gegenseitig das Leben zur Hölle, wie Zeuge D. offenbart. Doch vielleicht gehe es auch bloß um »Geld, Gebiete und Macht«, so der Aussteiger, und die Clubchefs trieben ihre Männer aus Gewinnsucht in Kämpfe auf Leben und Tod. »Sie haben da mitzumachen. Da können sie nicht nein sagen«, erklärt D. das unerbittliche Rocker-Prinzip von Befehl und Gehorsam. Widerspruch wurde nicht geduldet.
Auch der im Mai 2007 in seinem Motorradladen erschossene Robert K. sei häufig in diese Konflikte verwickelt gewesen. Zu Beginn des vergangenen Jahres seien dann führende Mitglieder des Bandido-Chapters »Münster« der Idee verfallen, sich die höchste Auszeichnung ihres Motorradclubs zu erwerben.
Mit dem sogenannten »Expect-no-Mercy-Badge« würden nämlich nur diejenigen geehrt, die einen Kontrahenten lebensgefährlich verletzt oder gar getötet hätten. Ziel des geplanten Übergriffs sei, so stellt es D. dar, der Ibbenbürener Robert K. gewesen, der dann auch wochenlang von zwei Bandidos observiert worden sei.
Ob der gewaltsame Tod des Motorradhändlers tatsächlich auf das perfide Streben weniger Bandidos nach einem Rocker-Orden zurückgeht, ob wirklich ein Mensch sterben musste, weil einige dieser Pfadfinder auf Testosteron sich ein buntes Stück Stoff auf die Jacke nähen wollten, kann D. nicht sagen, da er noch vor dem Mord ausstieg. Doch er nimmt es an. Das Gericht indes wird seinen Ausführungen in diesem Punkt nicht folgen.
Am 10. Juni 2008, nach 22 Tagen Beweisaufnahme, verurteilt die 2. Große Strafkammer unter Vorsitz des Richters Skawran Heino B. und Thomas K. schließlich wegen gemeinschaftlichen Mordes an Robert K. zu lebenslangen Gefängnisstrafen. Kaum ist das Urteil verklungen, stürmen die Hells Angels aus dem Saal und fallen sich in die Arme.
Heino B. habe sich, so Richter Skawran in der Urteilsbegründung, für wiederholte brutale Überfälle der Hells Angels auf seine Bremer Bandido-Truppe rächen und sein Ansehen in der Gang
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